Samstag, 3. Dezember 2016

Peloponnes-Schlussakt: Schlangenschlächter, Schlumpfeier, Schlupflöcher und schlaflose Nächte

Unsere erste Station auf der Mani machten wir im kleinen Ort Flomohori. Urige Gassen, in denen noch urigere alte Männer hockten, deren finstere Mienen sich nach einem kurzen, netten Gruß in ein zahnloses Lächeln verwandelten- ja, einfach urig dieser Ort.


Geprägt ist er- typisch für die gesamte Mani- von Wohnhäusern mit hoch aufragenden Wehrtürmen. 
Die unwirtliche, teilweise lebensfeindliche Einöde der Halbinsel diente den letzten überlebenden Spartanern als Zufluchtsort, nachdem das Reich Sparta zerfallen war. Ihre kriegerische Mentalität scheinen sie dabei kaum zurückgelassen zu haben, denn die Wehrtürme sind aufgrund etlicher Nachbarschaftskriege und Sippenrivalitäten entstanden, die häufig durch die Eroberung des feindlichen Turms entschieden wurden. Wir beendeten unseren Tag in Kokkala.



Kaum hatten wir die nähere Umgebung zu Fuß erkundet,  wurde uns das Hauptproblem dieser Region bewusst: Sie stirbt aus. Kaum ein Haus in diesem Ort war bewohnt, nahezu jedes ist als Feriendomizil zweckentfremdet und somit außerhalb der Saison nicht genutzt. Die wenigen Einwohner, auf die wir stießen, waren überwiegend im Rentenalter. Selten haben wir inmitten eines Ortes so ruhig geschlafen. Wir setzten die Umrundung der Mani fort und erreichten Lagia, eines der Vorzeige-Dörfer. Aber auch hier sagen wir viele Häuser und wenige Menschen, mit dem Unterschied, dass hier die Häuser abseits der Hauptstraße keine Ferienappartements waren, sondern schlicht zerfielen.


Die einzige Taverne des Ortes hatte auch bei unserer Rückkehr zum Auto noch geschlossen, was einen alten Mann sichtlich missfiel, der aufgeregt in sein Handy wetterte- irgendwas von "touristi" und "germani".
Wir hatten ohnehin andere Pläne und fuhren- nur von Fotostopps an den schönsten Buchten unterbrochen- bis zum Totenorakel Tenaro. 


Von dort führte uns ein einfacher und schöner aber unspektakulärer Wanderweg in ca. einer halben Stunde zum Kap Tenaro, dem südlichsten Punkt des griechischen Festlands.


Der blaue Leuchtturm wird ausschließlich mit Solarenergie betrieben; zu gerne hätten wir auch so eine Solarzelle auf dem Dach. Strammen Schrittes wanderten wir zurück zu der kleinen, zerfallenen Kapelle, die über die Reste des Totenorakels gebaut worden ist und schauten direkt dahinter in den „Zugang zur Unterwelt“, in den Herakles hinabgestiegen sein soll, um den Zerberus zu bändigen.
Somit hatten wir mit Ausnahme des Stymphalischen Sees alle Orte seiner Aufgaben auf der Peloponnes besucht.
Bei schönstem Wetter ging es fortan an der Westküste der Mani entlang. Zunächst passierten wir zur Einstimmung Marmaria, um dann wunderschön auf einem Felsenkamm mit Meerblick gelegene Vathia, das typische Dorf der Mani zu erreichen. 


Es erwies sich als goldener Abschluss unserer Mani-Umrundung, aber auch hier stehen wohl mehr Türme, als Einwohner im Ort leben.
Unser nächster Schlafplatz stand als Ziel aus eigenem Anspruch schon lange auf unserer Wunschliste, daher fuhren wir durch bis zu dieser Traumbucht mit dem Namen Sauriereierbucht.


Die Westseite der Mani ist nicht gar so lebensfeindlich wie die Ostküste, die Felsen fallen weniger steil ins Wasser ab und hier und da ist sogar ein Hafen vorhanden. Die größte landschaftliche Besonderheit der Gegend sind die zahlreichen küstennahen Höhlen. Die mit Abstand bekannteste davon ist die Glyfada-Höhle- knappe 5 Minuten Fußweg von der Sauriereierbucht entfernt- durch die wir uns nachmittags mit einem Münchner Pärchen in venezianischer Gondolieremanier staken ließen. Die Höhle liegt nämlich zur Hälfte unter und zur Hälfte über Wasser. 


Teilweise musste Nathan sehr achtgeben, sich nicht den Kopf an den Gesteinsformationen zu stoßen. 


Das wohl imposanteste Phänomen der Höhle waren die ständig neuen, verwirrenden Reflektionen auf dem Wasserspiegel, die unseren Kameras leider entgingen. Die geradezu gespenstische Ruhe wurde lediglich durch das Plätschern der Tropfen und das Gleiten unseres Bootes durchs Wasser durchbrochen, an den schönsten Stellen auch durch das Klicken der Kamera.


Fast 1,5 km lang war die Fahrt durch die Zauberwelt von Stalagmiten und Stalaktiten, danach durften wir noch einige hundert Meter durch einen trockenen Teil der Höhle zum Ausgang spazieren.
Das Münchner Pärchen war auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit und wir boten ihnen an, sie nach Areopolis zu fahren, der Hauptstadt der Mani. Wir bekamen dafür die attraktive Kleinstadt etwas früher als geplant zu sehen und bekamen einen gemeinsam eingenommenen griechischen Kaffee auf dem Marktplatz spendiert. Bei Dämmerung machten wir uns auf den Weg zu unserem auserkorenen Schlafplatz, von dem aus Nathan bei Sonnenaufgang mit dem Fahrrad eine zweite Mani-Umrundung in Angriff nahm. Derweil versorgte Svenja unsere Wäsche und erfreute sich- anders als der Radler- am sonnigen und extrem windigen Wetter. Außerdem backte sie Brot, badete im Meer und wurde von einem einheimischen Imker angesprochen, der Honig verkaufen, Orangen und Salbei verschenken und eine tote Schlange präsentieren wollte. 


Was ihr da seht, ist eine der giftigsten Schlangen Europas, eine Hornviper, die er so frisch in einem Feld ganz in der Nähe erlegt haben musste, dass sie noch zuckte. Wenn Svenja sein Kaudawelsch richtig übersetzt hat, hatte ihn vor 10 Jahren eine solche Schlange gebissen und fast ein Bein gekostet.
Irgendwie scheint Svenja bei dem ganzen Trubel nicht so recht auf die Schlümpfe aufgepasst zu haben. Jawohl, Schlümpfe! Neben unserem befand sich nämlich noch ein weiterer Schlumpfbus an diesem Ort und im Gegensatz zu unserem wird er von anderen Schlümpfen wohl nicht wegen seiner Pigmentstörung gehänselt. 


Es scheint jedoch ein sehr toleranter Schlumpf gewesen zu sein, jedenfalls fanden wir nach Nathans Rückkehr ein ganzes Nest voller Eier unter unserer „Schlumpfine“. 


Vorsorglich haben wir ein paar davon mitgenommen. Sollten tatsächlich Schlümpfe schlüpfen, so werden wir diese unter unseren treuesten Lesern verlosen. Nach zwei Nächten nahmen wir Abschied von diesem wunderbaren Platz und erkundeten zunächst noch einmal die Ecken von Areopolis, die wir beim ersten Kurzbesuch nicht gesehen hatten.


Danach begaben wir uns in den Höhlenforschermodus und steuerten zwei Höhlen an, die ohne Führer und elektrisches Licht zu erkunden waren. Die erste liegt beim Örtchen Agios Dimitrios, nennt sich Katafygi Salinitsas und ist über ein „Felsenchaos“ von der Meerseite aus recht bequem zu erreichen. 



Bequem war es ab dem Betreten der Höhle nicht mehr. Obwohl zahlreiche Abenteurer vor uns Stalaktiten abgebrochen hatten, bestand akute Kopf-Stoß-Gefahr, teilweise musste man auf allen Vieren in den nächsten Saal vordringen. Nach ca. 200 Metern gelangten wir dann an einen Punkt, an dem wir durch eine Pfütze von immensen Ausmaßen hätten kriechen müssen. Wir zogen es vor mit trockenen Klamotten und trockener Kamera wieder ans Tageslicht zurückzukehren. Doch bevor wir dies taten, löschten wir alle vier mitgebrachten Lichter und erfuhren wahre Dunkelheit. Selbst nach einigen Minuten konnten wir die Hand vor unseren Augen nicht einmal erahnen, nur das typische Tropfgeräusch war zu vernehmen. Auf dem Rückweg trafen wir noch auf diesen etwas verschlafenen Gesellen und einige seiner Freunde:



Unsere Neugier war geweckt und daher machten wir uns unverzüglich daran die nächste Höhle zu erforschen. Die Katafygi Vatsinidi liegt zwischen Stoupa und Kardamili und bot uns mehr einfallendes Tageslicht und mehr Kopffreiheit, dafür aber weniger Fledermäuse und Tropfsteingebilde. Da die Höhle einen Wasser führenden Zugang zum Meer hat, hat sich an ihrem Rande ein „See“ gebildet.



In Kardamili könne man gut am Strand stehen, hatte man uns erzählt. Tatsächlich fanden wir fünf weitere, vornehmlich deutsche, Campingfahrzeuge vor, als wir in der Dämmerung dort eintrafen. Da direkt hinter der am Strand entlang führenden Straße (Ferien-)Häuser standen, fühlten wir uns- dem Verhalten der anderen Camper nach zu urteilen- als einzige, etwas störend an diesem Ort. In Ermangelung einer sinnvollen Alternative blieben wir stehen und verbuchten diesen Nacht als „einmal und nie wieder“. Es war das erste Mal, dass wir die Schilder mit den durchgestrichenen Zelten und Caravans verstanden…
Alternativlos waren wir, weil wir früh morgens in der nahen Großstadt Kalamata in der Werkstatt aufkreuzen wollten, die wir schon einmal beehrt hatten. Das nötige Einzelteil für unser Fahrerfenster sollte nun vorrätig sein. Erfreut empfing uns der Chef und rief auch sofort bei dem Bekannten an, der für die Beschaffung dieses Teils zuständig gewesen war. Nur hatte der unserem vagen Versprechen erneut vorbeizukommen keinen Glauben geschenkt und daher das Teil nicht besorgt. Wie wütend der Werkstatt-Chef darüber war, verstanden wir auch ohne ein Wort zu verstehen. Wir wurden mit einem Kaffee getröstet und beschlossen das letzte Highlight der Peloponnes, das sich unseren Augen bisher noch nicht offenbart hatte, anzufahren. Dabei handelte es sich um Mystras, ehemals ein bedeutendes byzantinisches Zentrum, von dem eine Vielzahl an Kirchen und eine Festung erhalten geblieben sind. Die Fahrt von Kalamata nach Sparti- denn ganz nah bei Sparti liegt Mystras- gehört wohl zu den schönsten Strecken der Peloponnes. Obwohl wir die Strecke erst wenige Wochen zuvor schon einmal gefahren waren, hatte sich einiges verändert. Die Farbe der Blätter an den Bäumen war von sattem Grün in sanftes Gelb übergegangen und die viel größere Überraschung: die vier bis fünf Baustellen entlang des Weges waren allesamt fertig gestellt worden.
Mystras war im doppelten Sinne atemberaubend. Zum einen durch seine unvergleichliche Dichte an kunstvoll ausgekleideten Sakralbauten in fantastischer Lage,



zum anderen durch den extremen Höhenunterschied zwischen den unteren und den oberen Gebäuden.



Da die Anlage zwei Eingänge hat, absolvieren wohl nicht wenige Besucher die Höhenmeter per Auto und verzichten dafür auf die Besichtigung der in der Mitte liegenden Gebäude.


Aufgrund unserer Streckenkenntnis des folgenden Streckenabschnitts hatten wir diverse Schlafplatz-Optionen in der Hinterhand. Daher fuhren wir in die Dunkelheit hinein und steuerten dann einen Strand bei Nafplio an, der uns von unseren Sauriereierstrand-Nachbarn mit Schlumpf empfohlen worden war. Tatsächlich trafen wir- wie schon in der Nacht zuvor- eine ganze Horde von Fahrzeugen vor einem Eukalyptuswäldchen an und gesellten uns kurzerhand dazu. An diesem Strand gab es keine Anwohner, die man durch seine Anwesenheit hätte stören können und da es recht warm war und wir uns inmitten von anderen Campern sicher fühlten, stellten wir endlich mal wieder unser Hochdach auf. Kaum hatten wir den Bus von innen verriegelt und uns nach oben begeben – das Licht war noch an und wir waren mitten im Gespräch – da vernahm Nathan von draußen Geräusche, die nicht ins natürliche Muster passten. Wir öffneten eines unserer Zeltfenster und Svenja sah einen Mann vor dem Schlumpf, den sie zunächst für einen unserer Nachbarn hielt. Doch nach und nach näherte sich der Mann unserem Auto, immer nur für 2 Schritte, um dann kurz inne zu halten. Schließlich verschwand er aus Svenjas Blickfeld, weil er sich nah vors Auto gehockt hatte. Spätestens jetzt war uns klar, dass seine Absichten nicht ehrenhaft sein konnten. Das Herausleuchten mit einer Taschenlampe erschreckte ihn nicht ausreichend, zumal der Lichtkegel ihn verfehlte. Einen kurzen Moment verharrten wir und horchten in die Dunkelheit – das Licht hatten wir längst gelöscht. Es tat sich nichts, aber Svenja war sich sicher, dass er dort vorne sitzen musste, warum auch immer, er musste bemerkt haben, dass er bemerkt worden war. Also kletterte Svenja mit einem Zündschlüssel bewaffnet auf den Fahrersitz. Aber auch von dort konnte sie den Kerl nicht erspähen. Die nächste Eskalationsstufe war das Anschalten des Autolichts. Das überraschte unseren Störenfried ein wenig und er musste ruckartig seine Position verändern, um nicht im Lichtschein des linken Scheinwerfers zu sitzen. Das war Svenja aber nicht entgangen, obgleich er dies vermutlich noch hoffte. Auf Nathans Signal startete Svenja den Motor und siehe da: Der Mann sprang panisch auf und suchte sein Heil in der Flucht. Auf eine konsequente Verfolgungsjagd mit aufgestelltem Dach durch niedrig hängende Äste auf unbekanntem Terrain bei Dunkelheit verzichteten wir lieber. Obwohl Nathan dem Ruhestörer mit seiner alten Torwart-Brüll-Technik hinterher geschrien und Svenja Motor und Fernlicht eingeschaltet hatte, tat sich bei den anderen Campern nichts, obwohl überall noch Licht brannte. Dass der Kerl zurückkehren würde, war äußerst unwahrscheinlich, dennoch zogen wir es vor, den Standort zu wechseln und fuhren zum Tholosgrab nahe Tiryns, wo wir wenigstens ein paar Stunden Schlaf fanden.

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