Noch bevor die 19,9 kg schweren Koffer auf dem
Förderband auftauchten, sahen wir durch die Glasschiebetüre schon einen wilden
Nikolaus und eine noch wildere kleine Christine herumwirbeln und nur wenig
später konnten wir uns feste in die Arme schließen. Die Wiedersehensfreude war
groß und wurde noch größer, als wir das "Frogs House" am Rande von
Agios Nikolaos bezogen, das sich als unsere kleine feine Traumunterkunft
entpuppte.
Schon bei der Ankunft wurden wir von der Tante des
Vermieters und ihrer Englisch sprechenden Bekannten griechisch-herzlich begrüßt
(hier hilft jeder jedem). Nachdem wir dort glücklich unser Domizil bezogen
hatten und die gefühlt 38 kg an Geschenken ausgepackt hatten, war das erste, nach
dem wir uns schon seit fast drei Monaten sehnten, eine warme Dusche- nicht nur
wir beide, sondern auch unsere Mitbewohner freuten sich sicherlich darüber.
Dass dieses Vergnügen binnen nur 30 Minuten möglich wurde (bis der Boiler das
Wasser erhitzt hatte), war grandios und ihr könnt es euch vorstellen- danach
fühlten wir uns wie neu geboren. Nach solch langem "Basiclife" sind
schon die eigentlich normalsten Dinge der heimischen Welt für uns Komfort und
Luxus geworden- unbegrenzt Strom und Internet zu haben, sich abends einfach ins
Bett fallen lassen zu können, ohne davor schwere Kisten umlagern zu müssen,
aufrecht stehend zu kochen, einen großen Kühlschrank mit Eisfach zu haben, den
man bedenkenlos die ganze Nacht durchlaufen lassen kann (ohne dabei wertvolle
Gasreserven zu verbrauchen), im Backofen mal wieder ganz andere Gerichte
zubereiten zu können, von Svenjas Eltern verwöhnt zu werden, die Beine
hochzulegen, während Herbert das Schlumpfinterieur reparierte, Christine sich
um die viele Wäsche kümmerte und vieles, vieles mehr...
Aber nun zu den schönen gemeinsamen Unternehmungen:Wir genossen erst von unten und später von der Steilküstenstraße aus den Blick auf die komplett mit einer Festung bebaute kleine Insel Spinalonga und den Golf von Mirabello.
Der Name mag den Medizinern unter euch bekannt vorkommen, er heißt übersetzt "langer Dorn", hat aber mit der Wirbelsäule eigentlich nichts zu tun. Das kleine Eiland hieß einst "stin Elounda" ("nach Elounda")- benannt nach dem Ort, von dem aus man im Sommer dorthin rüber schippern kann. Im Winter sitzt im Kassenhäusle nur ein hartgesottener Schwarzwälder, der uns statt Tickets zu verkaufen lieber mit Joster und Whiskey verköstigte- die Schönwettergriechen waren längst ausgeflogen.
In venezianischer Zeit wurde die Insel in "Spina lunga" umbenannt, die ursprüngliche Bedeutung ging dabei verloren. Dennoch ging sie als Quarantäneinsel für Leprakranke in die Medizingeschichte ein. Bei schönstem Wetter genossen wir den schönen Strand, ließen Steine hüpfen und die Seele baumeln. Tags darauf hatte der Wind es leider nicht geschafft die Regenwolken über uns wegzupusten. Wir machten uns dennoch auf den Weg nach Kritsa. Dort lockte eine Kirche mit Fresken, die zu den wertvollsten und schönsten ganz Kretas zählen. Ungefähr 50 Meter Schottersackgasse führten uns von der Hauptstraße direkt zur Kirche, neben der wir parkten.
Es überraschte uns nicht sonderlich, die Kirche verschlossen vorzufinden, dass aber zwei vorbeikommende Rentner nicht wussten, wo der Schlüssel verwahrt wurde, war ungewöhnlich. Wir liefen umher wie ein aufgescheuchter Hühnerschwarm, rüttelten an jeder Tür, die wir im weiteren Umkreis fanden, aber nirgends war unser Bemühen von Erfolg gekrönt. Also fuhren wir in die Dorfmitte und fragten den ersten Mann, den wir sahen. Er gab uns eine einwandfreie Wegbeschreibung zur Kirche, von der wir gekommen waren, von einem Schlüssel wusste auch er nicht das Geringste. Svenja hatte schließlich den Einfall, in einem touristisch-orientierten Laden zu fragen. Die Verkäuferin war erstaunt, schließlich gäbe es unmittelbar vor der Kirche einen Ticketshop und dort wäre sie vor einer Stunde noch gewesen, er habe geöffnet gehabt. Also wendeten wir unser Gefährt und fuhren vor einem verlassenen wirkenden Gebäude direkt neben dem Schotterweg, auf dem wir eben geparkt hatten, vor.
Und tatsächlich: Von einem dicken Pfeiler verdeckt,
hing ein DIN A4 großes Schild mit der Aufschrift „Tickets“ im Fenster. Dahinter
saß eine treu-doof in den Regenschauer blickende Dame, die uns kommen und
wieder fahren gesehen haben musste. Auch Svenja war auf der Suche nach einer
Ansprechperson in geringem Abstand zu Fuß hier vorbeigekommen. Ob sie durch den Anblick von Touristen in Schockstarre gefallen war, ihren Winterschlaf schon begonnen hatte oder schlichtweg wasserscheu war, lässt sich nicht abschließend klären.
Immerhin schloss sie uns auf Nachfrage das
Kircheninnere auf, von dem wir euch mal wieder Bilder präsentieren dürfen.
Großartig interessant waren wir für die Ticketverkäuferin indes nicht, sie sprach während unseres gesamten Besuchs mit einer hinzu gekommenen Freundin, die ihren Wagen fast in der Türschwelle zur Kirche abgestellt hatte. Als wir uns zum Gehen wendeten, öffnete der Himmel seine Schleusen und wir rannten in einem günstigen Moment zum Schlumpf. Wir planten noch das weitere Procedere, als des bizarren Schauspiels zweiter Akt begann. Die beiden Damen hatten es für nötig gehalten die 50 Meter von der Kirche zum Tickethäuschen mit dem Wagen zurückzulegen. Natürlich wurde auch hier so nah am Eingang wie möglich geparkt. Für die zu überbrückenden 2 Schrittlängen wurde dann aber noch ein Regenschirm gezückt, köstlich!
An unserem nächsten Ziel- der auf einem Bergsattel
gelegenen Ausgrabungstätte Lato- ernteten wir von der, ihre Zeit absitzenden, Ticketverkäuferin die nächsten erstaunten Blicke. Nachdem sie sich jedoch versichert
hatte, dass wir wussten, wo wir dort gelandet waren, schloss sie uns freundlich
das Tor auf.
Wir trotzten dem Regen und wurden mit ansehnlich gut erhaltenen
Ruinen einer dorischen Siedlung und einer ganzen Handvoll über uns
kreisenden Gänsegeiern belohnt.
Als der Himmel und wir wieder trocken waren, schlenderten wir noch ein
wenig durch unsere Residenzstadt Agios Nikolaos. Das Ambiente rund um Hafen und
See gefiel uns sehr gut.
Mit einem traditionellen Cego-Abend ließen wir den Tag
gemütlich ausklingen. Dabei machte Svenjas Glückssträhne ihr großes Pech im
Harlekin-Skat gegen Nathan wett. Das Highlight Kretas hoben wir uns für den
dritten Tag auf- Knossos. Nachdem wir am Eingang unverschämt teure Führer
abwimmelt hatten, durchwanderten wir nahezu alleine die größte und bedeutendste
minoische Palastanlage, die Sir Arthur Evans ab 1902 erst freigelegt und dann teilweise rekonstruiert hatte. Die Originale aller hier gefundenen Fresken wurden ins Archäologische Museum Iraklion gebracht und vor Ort durch Kopien ersetzt.
Thronsaal |
Megaron der Königin |
Beim großen und beeindruckenden Rundgang entstanden
viele schöne und individuelle Fotos, von denen nur wenige öffentlichkeitstauglich sind:
Lilienprinz |
Trotz oder gerade wegen der von Evans vorgenommenen Veränderungen ist Knossos mit Abstand die eindrucksvollste Palastanlage Kretas, nirgends sonst bekamen wir eine ähnlich gute Vorstellung von der Größe und Raffinesse der minoischen Zentren.
Nordeingang |
Am nächsten Morgen mussten wir leider schon wieder packen. Das große Loch in den Koffern, das durch die mitgebrachten Geschenke, Schmuggelware, Getränke und Leckereien entstanden war, wurde für den Rückflug mit Flossen und Schnorchel, Fahrradhelm und Souvenirs gestopft. Vielen Dank Christine und Herbert für euer Weihnachtsgeschenk- diese wundervollen Tage mit euch!
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