Dienstag, 23. August 2016

Leben mit dem Tod

Viele Grüße aus dem regnerischen Sarajevo!
Heute nehmen wir uns einen langersehnten und dringend benötigten Ruhetag. Die letzten Tage waren extrem intensiv, mit Höhen und Tiefen und nicht alles war leicht zu verarbeiten. Doch fangen wir vorne an:
Mit Kalenic und Ljubostinja standen zunächst 2 weitere orthodoxe Kirchen auf dem Programm, ehe es nach Niš weiter ging.

Ljubostinja mit dem obligatorischen Fotos-Verboten-Schild

Niš ist vor allem für seinen Schädelturm bekannt, der nach einer gescheiterten serbischen Revolte 1809 von den siegreichen Osmanen errichtet wurde. In ihm wurden die Schädel von fast 1000 gefallenen Serben eingemauert; heute sind davon noch etwa 50 erhalten.


Zunächst jedoch flanierten wir durch die alte Festung, die heutzutage als Park genutzt wird.
Ein kleines Stück weiter liegt zwischen verfallenen Häusern und meterhohem Gras das gut gepflegte Gelände des ehemaligen KZs „Rotes Kreuz“, welches die im 2. Weltkrieg hier verübten Gräueltaten erahnen lässt.
Eine freundliche Mitarbeiterin erzählte uns die traurige Geschichte von einem organisierten Fluchtversuch am 12.2.1942, bei dem 15 Insassen die Flucht gelang, 42 jedoch ihr Leben lassen mussten, von den grausamen Haftbedingungen und dass man die Zahl der hier Ermordeten auf über 10.000 schätzt.


Die folgende römische Ausgrabungsstätte Mediana mit hervorragenden Mosaiken etwas außerhalb der Stadt erreichten wir mit einem immer noch mulmigen Gefühl.


Der Glaube an das Gute im Menschen kehrte auf der Schlafplatzsuche zurück. Die Geschichte folgt sogleich, doch vorher noch ein paar allgemeine Worte zu Serbien, die hoffentlich an dieser Stelle sinnvoll aufgehoben sind.
Allzu viel haben wir vom serbischen Volk im Bezug auf Gastfreundschaft und Warmherzigkeit nicht erwartet. Vielmehr schwirrten in unseren Köpfen Vorstellungen von einem militärisch geprägten Land mit kurz angebundenen, abweisenden Menschen umher.
Zu viele Geschichten hatten wir von Überfällen und Diebstählen gehört, von mürrischen Gesetzeshütern, die auf Banalitäten beharren, von stundenlangen peniblen Durchsuchungen an der Grenze. Zu sehr waren wir verunsichert von der –vermutlich nur auf dem Papier bestehenden- Pflicht sich alle 24 Stunden bei der lokalen Polizei zu melden oder zumindest zu veranlassen, dass dies vom Campingplatz oder Hotel erledigt wird. Wir besuchten dieses Land trotzdem, wir wollten uns ein eigenes Bild machen von dieser „unsicheren Gegend“.
Skeptisch reisten wir also ein und wurden unglaublich positiv überrascht. Wohin wir kamen, wir wurden herzlich begrüßt, wer immer auch nur in der Lage war, 2-3 Worte deutsch zu sprechen, präsentierte uns diese mit einem Lächeln auf dem Gesicht und war selbst erfreut ein paar wenige serbische Phrasen als Antwort zu bekommen.
Den Gipfel der Gastfreundschaft erlebten wir aber –und nun kommen wir zur Geschichte mit dem Schlafplatz zurück- in Stanisinci, einem kleinen Dorf im Nirgendwo des serbischen Goč-Gebirges in dem wir nur vorbeikamen, weil in unserer Straßenkarte ein nicht existierender Campingplatz an dieser Stelle eingezeichnet war.
Es dunkelte schon lange und die Müdigkeit hatte Besitz von uns ergriffen, als Svenja ausstieg, um nach dem –wie erwähnt nicht existierenden- Campingplatz zu fragen. Was Nathan im Schlumpf nicht wusste, aber bald darauf erfuhr, war, dass Svenja eine kleine Kindermärchenwelt betreten hatte, in der die Ängste verflogen und ihr Herz sich öffnete. Sie fühlte sich (auch als Erwachsene) herzlich willkommen- die Dame an der Rezeption sprach einige Worte Englisch und konnte eines von Svenjas Bedürfnissen erkennen- eine Toilette. Alsbald tauchte ein einquartierter Skilehrer auf, der fortan übersetzte und als er gerade dabei war Svenja die Campingoptionen der etwas weiteren Region zu erläutern, durchkreuzte Rale, der „Direktor ohne Schlips und Kragen“ die Pläne. Rale wollte nicht, dass wir im Auto übernachten, schließlich gab es freie Zimmer mit Betten. Wir wurden in einer total herzlichen Art und Weise, von der ganzen Schar begleitet, zu unserem Domizil (einem großen Zimmer mit drei Betten), geleitet und auch der Schlumpf bekam eine Eskorte in den Hinterhof.  Aber damit noch lange nicht genug- wurden wir auch noch zum Olympia schauen eingeladen- Premiere für uns. Jetzt wussten wir, warum laute Jubelschreie uns kurz zuvor bei unserer Ankunft „begrüßt“ hatten- die serbischen Volleyballerinnen hatten das Finale erreicht. Wir erfuhren, dass wir in einer Art Kinder-/Jugendherberge seien und momentan eine Gruppe Judoka von Partizan Belgrad dort ihr Trainingslager absolvierte. Mit den kleinen „Knirpsen“, einer Doppelgängerin von Pandora (der Katze von Nathans Eltern) und dem Kellner relaxten wir auf der Olympiacouch. Die meisten Jugendlichen sprachen im Gegensatz zu Rale gut und gerne englisch und fragten uns Löcher in den Bauch über unsere Reise, Deutschlands Landschaft und Sport. Hundemüde fielen wir ins Bett (!), obwohl das –mit Spannung verfolgte- Wasserballhalbfinale zwischen Serbien und Italien noch lief. Mit einem gemeinsamen serbischen Kaffee starteten wir den Tag und wir versuchten ein wenig zu plaudern. Das gestaltete sich recht schwierig, da unser serbisch um Längen besser war als Rales englisch, zugegebenermaßen aber auch dank eines Übersetzungsprogramms auf dem Smartphone. Aber der Mensch hat ja nun mal Gestik und Mimik und dann wurde seine Tochter Maja mal eben per Telefonkonferenz aus Belgrad zugeschaltet, um uns mitzuteilen, dass wir gerne noch einige Nächte bleiben dürften, natürlich seien wir eingeladen. Wir lehnten dankend ab, vermutlich wären wir dort sonst versackt. Es folgte ein riesenhaftes Zwergenfrühstück mit allen Finessen, die man sich nur vorstellen kann- nein- dass dem Ganzen noch ein Dessert (Tulumba und Prinzessinnenwindbeutel) folgen sollte, hatten wir wirklich nicht auf der Rechnung. Wir tauschten Adressen und knipsten im Märchenpark ein paar Fotos.


Rale ist der Brösel-Doppelgänger in der hinteren Reihe


Und da wir Rale unsere Blog-Adresse gegeben haben, hier noch ein wenig kyrillisch:
ЈОШ ЈЕДНОМ ХВАЛА ПУНО ЗА ГОСТОПРИМСТВО !!!

Am späten Vormittag verließen wir die kleine Oase überglücklich und mit vollen Bäuchen, um in die Realität zurückzukehren und auf den serbischen Bergstraßen weiterzureisen- nach Studenica.
Studenica gehört mit Sicherheit zu den schönsten und bedeutendsten orthodoxen Kirchen des Balkans- leider darf man in allen orthodoxen Kirchen, die wir bis jetzt besucht haben, nicht fotografieren. Wer uns kennt, weiß dass wir so etwas sehr ernst nehmen…;)


Wir legten einen weiteren Halt beim Kloster Gradac ein und gelangten schließlich nach Novi Pazar, vor dessen ausgedehnter Innenstadt 2 weitere freskenverzierte Gotteshäuser lockten. 


Vor einem davon übernachteten wir mit wunderbarem Blick ins Tal auf dem eigentlich für Reisebusse angelegten Parkplatz und fuhren am nächsten Morgen in die türkisch-muslimisch geprägte Innenstadt, um wenigstens ein wenig orientalisches Flair auf dieser Reise mitzubekommen.
Danach erreichten wir mit Sopoćani ein weiteres Freskenhighlight.


Anschließend folgten wir auf unmöglichsten Straßen, die mit einer 2km langen steil auf- und abführenden schlaglöchrigen Schotterpiste ihren Höhepunkt erreichten, dem Ruf des Flusses Uvac, von dem wir ein wunderbares Bild mit einem Geier vor grün schimmernden Flussschleifen gesehen hatten. Eine Fotomontage, was sonst? Aber wenigstens die Flussschleifen wollten wir sehen, was wir nach knapp über einer Stunde Wanderung dann auch taten:


Abenteuer-Schlumpf grüßt Sie im Auftrag von Schlumpf-Tours
Als wir dann unser Picknick ausgepackt hatten, kam zu unserem Erstaunen auch schon der erste Geier vorbeigeflogen. Wenig später kreisten 30-40 Gänsegeier über unseren Köpfen. 



Wir redeten uns gegenseitig Mut zu, dass wir so schlimm noch nicht aussähen und sie vermutlich nicht unseretwegen unterwegs seien, genossen den Moment und begaben uns, um noch vor der Dunkelheit am Schlumpf anzukommen, auf den Rückweg.
Eben jener Schlumpf verdiente sich auf den 2 km zurück über die Schotterpiste ein großes Lob, schaffte das steilste Stück entgegen Svenjas Erwartungen anstandslos und ließ sich dabei über Minuten den 1. Gang gefallen. Zur Belohnung wurde er abends ausgiebig geputzt.
Der von uns angesteuerte Campingplatz stellte sich als Garten eines Einfamilienhauses heraus. 
Bad und Küche teilten wir uns mit der Familie. Camping mal anders…
Und dann folgte die vorerst letzte Kirche, deren Fresken wir uns anschauten: Mileševa, berühmt für sein Engelfresko, das es in fast jeder Kirche in Serbien auch als Poster zu kaufen gibt. 


Wir kauften keins und fuhren von der Freundlichkeit der Serben ermutigt kurz nach Bosnien-Herzegowina (wir wollten das Grenz-Hopping ursprünglich eigentlich vermeiden und dafür auch Umwege in Kauf nehmen). Die serbischen Grenzer ließen uns aus reinem Interesse den Kofferraum öffnen, freuten sich über Froggy, unseren Plüschfrosch und wollten natürlich keine Nachweise darüber wann wir wo gewesen waren. Auf der bosnischen Seite fragte uns der Grenzer dann mit grimmigem Gesichtsausdruck: „Što ima?“ Wir verstanden es nicht, aber er insistierte, immer wieder die gleiche Frage. Schließlich lockerten sich seine Gesichtszüge und er erklärte uns lachend, dass dies soviel heiße wie „was geht?“.  Danach fragte er nach dem weiteren Weg und erklärte uns wie wir zu fahren hätten.
Soviel zu den gefürchteten Grenzkontrollen.
In Bosnien-Herzegowina statteten wir der Drina-Brücke in Višegrad einen Besuch ab, die Ivo Andrić zu seinem bekanntesten Werk inspirierte.


Zurück in Serbien wollten wir auf einem kleinen ruhigen Campingplatz in Kremna, am Rande des Tara-Nationalparks den Tag entspannt ausklingen lassen. Unser Skype-Gespräch mit Nathans Eltern wurde jäh durch einen Knall und ein sich in unserem Sichtfeld auf der ca. 200m entfernten Straße überschlagendes Auto unterbrochen. Wir eilten zur Unfallstelle und stellten erleichtert fest, dass sich schon etliche Helfer vor Ort befanden und beide Insassen des Unfallwagens ansprechbar und zumindest äußerlich nur mit Schürfwunden davongekommen waren. Bis der Rettungswagen kam, vergingen allerdings 30 Minuten, in Deutschland unvorstellbar. Bis die Straße geräumt war, verging erheblich mehr Zeit, weswegen sich ganze Blechlawinen über die neben der Straße verlaufenden Feldwege wälzten.
Da das Wetter sich deutlich verschlechterte und auch keine Besserung in Sicht war, beschlossen wir, den Tara-Nationalpark zu verlassen und Serbien endgültig zu verlassen. Das bedeutet für uns, dass wir uns einer der 4 Währungen entledigen konnten und damit das Umrechnungs-Chaos etwas minimiert haben.


Morgens knipsten wir noch dieses Überbleibsel des vergangenen Tages:


Mit einer Extraportion Vorsicht ging es weiter, über eine kleine Brücke ging es nach Bosnien-Herzegowina und da uns diesmal der Grenzbeamte nicht von allein den Weg erklärte, mussten wir ihn fragen.
Hier ein kleines Video von der Fahrt, wir hoffen dass man den Straßenzustand erahnen kann, es fehlen allerdings Kühe, attackierende Hunde, Schafe, Spaziergänger und vor allem gefährliche Überholmanöver. 

das Video wird aufgrund technischer Probleme nachgereicht

Vermutlich sind die schlechten Straßen im Endeffekt die sichereren.
Genau diese Straße führte uns nach Srebrenica.

Srebrenica war der Ort des größten Massakers des Bosnien-Krieges, dem zahlenmäßig größten Kriegsverbrechen Europas seit dem 2.Weltkrieg. 8372 Opfer besagt ein Stein am Eingang der Gedenkstätte, ganz genau wird man es aber wohl nie wissen. Für jedes identifizierte Opfer steht hier ein weißer Grabstein mit Namen und Geburtsjahr, das macht das Grauen greifbarer; es sind zu viele, um sie alle gleichzeitig zu überblicken.


Das Ganze fand vor gerade einmal 21 Jahren statt, die jüngsten Opfer waren Jahrgang 1980, nicht viel älter als wir selbst.
Obwohl man krampfhaft versucht, der Stadt ein anderes, ein freundlicheres Image zu geben, so atmet sie doch nach wie vor mit jeder Faser ihre tragische Geschichte. Sie wirkte fast genauso bedrückend wie die Gedenkstätte an sich.

Nachdenklich fuhren wir weiter in Richtung Sarajevo. Auf einem Pass etwa 30-40km vor der Hauptstadt übernachteten wir und setzten uns heute Morgen früh wieder in Bewegung, um wenige km vor Sarajevo an der nächsten Unfallstelle einzutreffen. Diesmal kamen wir allerdings wohl direkt nach dem Unfall –von dem wir nichts hörten- an und Nathan musste mithelfen einen bewusstlosen Mann vom Rücksitz zu bergen, der glücklicherweise kurz darauf die Augen wieder öffnete. Auch hier wohl Glück im Unglück. Dieses Mal traf der Rettungsdienst schon nach 10 Minuten ein, Sarajevo war ja auch nicht weit.
Bemerkenswert scheint uns vor allem die Tatsache zu sein, dass alle Ersthelfer ziemlich genau wissen, was sie da tun: stabile Seitenlage, Kontrolle, dass die Zunge nicht die Atemwege verlegt, Atemkontrolle, Pupillencheck, Fragen nach Schwindel und Doppelbildern, Decken (wenn vorhanden), Flüssigkeitszufuhr- an alles wird gedacht, es scheint Routine zu sein, nur das Gefahrenstelle-Sichern bleibt dann den (dummen) Deutschen überlassen…

Wir jedenfalls sind froh, den Wagen 1-2 Tage nicht bewegen zu müssen und klopfen auf Holz, dass wir auch weiterhin so sicher von A nach B kommen.

Mittwoch, 17. August 2016

Immer der Donau und später der Nase nach

Die Transitstrecke nach Belgrad war für europäische Verhältnisse nicht lang, aber die Straße war unglaublich schwer zu fahren. Keine Zehntelsekunde durfte man unaufmerksam sein, keinen Blick nach rechts und links der Straße wagen, denn schon übersah man eine scharfe Kante, ein riesiges Schlagloch, einen tiefen Krater,...


...wilde Hunde, die vergebens versuchten es mit dem Schlumpf aufzunehmen (die zahlreichen Kadaver am Straßenrand lassen vermuten, dass ihnen nicht jeder ausweicht), schiebende Radfahrer, die ihr Gefährt als Lastesel benutzen, Schubkarrenlenker, verlorene Ladung, Müll, parkende oder liegengebliebene Autos (Aufkleber mit der Telefonnummer des Abschleppdienstes sind praktischerweise regelmäßig am Straßenrand angebracht) oder -am allerschlimmsten- überholenden Gegenverkehr, dem das Überholmanöver nur dann gelingt, wenn man ganz rechts bleibt und bremst. Serben scheinen immer dann zu überholen, wenn sie schneller fahren wollen, als das Gefährt vor ihnen und wenn sie keinen Gegenverkehr sehen, was leider auch dann der Fall ist, wenn sie die Gegenfahrbahn nicht einsehen können.
Wir kamen also durchgerüttelt und nass geschwitzt in Belgrad an, fanden aber glücklicherweise ziemlich schnell unseren angesteuerten Stellplatz, der 3km vom Zentrum entfernt lag. Es war zwar nur eine kleine Rasenfläche auf einem Firmengelände, welches direkt an der vierspurigen Nord-Süd-Hauptverkehrsachse Belgrads lag, aber das nahmen wir gerne in Kauf, schließlich waren wir gespannt auf die Hauptstadt dieses Landes und wussten, dass zwar nicht viele besondere Gebäude, aber immerhin gut bestückte Museen auf unseren Besuch warteten. Voller Tatendrang gingen wir durch typische, ranzige Ostblockstraßen ins Zentrum- zum Platz der Republik. Dort befindet sich das Nationalmuseum, das jedoch zu unserer Ernüchterung, immer noch (seit über 10 Jahren) renoviert wird und nicht besucht werden kann. Von außen sieht es eigentlich fertig aus, sieht man vom davor stehenden Kran mal ab.


Wir gingen die Fußgängerzone entlang, die aus einer einzigen westlich anmutenden und extrem rausgeputzten Straße besteht, die die Touristen in Richtung Festung Kalmegdan schleust. Von der Festung aus sieht man nicht nur Novo Beograd von oben, sondern auch die kleinen angepriesenen Restaurant- und Partyschiffe auf der Sava, die ein kleines Stück weiter in die Donau mündet sowie im Hintergrund die Burg im Vorort Zemun. Hier oben wird flaniert, der Blick genossen, Hund und Kegel fotografiert und -auf dem Sportgelände, das sich inmitten der Mauern befindet- Basketball gespielt.


Auf dem Rückweg liefen wir durch das Bohème-Viertel, welches ebenfalls nur aus einer einzigen Straße besteht. Die angepriesenen Fleischgerichte ließen uns natürlich kalt. Am nächsten Tag schauten wir uns die erst in diesem Jahrhundert erbaute orthodoxe Kirche Sveta Sava an, die –ist sie doch die größte orthodoxe Kirche der Welt- einzig und allein mit ihrer Größe punkten konnte und im Inneren noch nicht gänzlich fertig gestellt zu sein scheint.


Danach besuchten wir das Nicola Tesla Museum- unser Highlight Belgrads. Wir füllten einige unserer naturwissenschaftlichen Wissenslücken und bekamen einen guten Eindruck vom Leben und der Arbeit des im heutigen Kroatien geborenen Mannes, der den größten Teil seines Lebens jedoch in Amerika verbrachte. Dass dieses Museum in Belgrad steht, liegt am damaligen Wohnort seines Erben.
Hier die geglückte Demonstration der elektromagnetischen Ladung einer Tesla-Spirale:



Nun stelle man sich vor, die Lampe in Svenjas Hand sei rot, sie trüge eine Darthvader-Maske und die Tesla-Spirale wäre aus dem Bild geschnitten…
Tatsächlich wurden die Starwars-Lichtschwerter so zum Leben erweckt.
Im Anschluss wollten wir uns noch das Fresken-Museum anschauen, aber auch dieses war zwar von einem grimmigen Aufpasser bewacht, nicht jedoch für Besucher geöffnet.
Etwas enttäuschend ging somit unser Belgrad-Besuch zu Ende und wir fuhren weiter an der Donau entlang nach Smederevo, das einst Belgrad als Hauptstadt Serbiens für einige Jahrzehnte abgelöst hatte.
Aus eben jener Zeit steht noch diese riesige Festung:


Auch sonst ist Smederevo eine ansehnliche Stadt, zum Zeitpunkt unseres Besuchs war das Zentrum mit Blumen geschmückt und auch sonst wirkt dieser Teil Serbiens nicht so arm, wie beispielsweise der von uns durchfahrene Nordwesten. Dieser Eindruck verstärkte sich auf der Weiterfahrt. Die zerfallenen Häuser, Fußgänger auf der Straße und Melonenverkäufer nahmen spürbar ab und Villen und große neue Gebäude, teilweise sogar mit Pool versehen, säumten die Straßen. Wir übernachteten auf einem Campingplatz an einem kleinen See, der den Serben als Naherholungsgebiet dient.
Tags darauf fuhren wir an die Donau, deren Verlauf wir von Golubac nach Kladovo für etwa 100km folgten. Dabei eröffneten sich uns wunderschöne Blicke auf den naturbelassenen Fluss.
Erster Foto-Stopp war die Festung Golubac:


Später folgte diese Ausgrabungsstätte:

Lepenski Vir

Svenja musste hart trainieren um den authentischen Gesichtsausdruck der eierförmigen Kultfiguren, die hier zu besichtigen sind, zu erlernen.Hier der direkte Vergleich:


Der eigentliche Höhepunkt der Donaustrecke jedoch lag noch vor uns: Das Eiserne Tor, das die alten Torwartinstinkte in Nathan weckte:


Die Donau durchbricht hier eine von Felswänden ummauerte Engstelle, die der Schifffahrt bis zum Bau eines Staudamms in den 70er Jahren arg zusetzte.
Von einem Rastplatz oberhalb des Eisernen Tors ergaben sich auch Blicke auf eine rumänische Sehenswürdigkeit:


König Decebalos, der in Stein gemeißelt über die Engstelle wacht.


Auch wenn die Campingplätze hier in Serbien sehr spartanisch und eigentlich nur auf serbische Dauercamper eingerichtet sind-  ein wie auch immer geartetes WLAN, Strom und Wasser gibt’s meistens. Am Borsko Jezero wurden wir freundlich von einem urigen Alt-Jugoslawen auf deutsch begrüßt und fühlten uns das erste Mal „serbisch heimisch“ (wir bezahlten den gleichen Preis wie die Landsleute, hatten einen Platz direkt am See, wurden von den anderen Campern freundlich gegrüßt und angesprochen- leider auf serbisch, weshalb die Konversation meist sogleich zu Ende war oder mit Händen und Füßen weitergeführt wurde). Dort legten wir einen Rasttag ein, den Svenja zur hoffentlich endgültigen Auskurierung und Nathan für ein ausgiebiges –vorerst einmaliges- Rennradabenteuer auf serbischen Straßen nutzte. Dabei waren weniger die Autofahrer das Problem als vielmehr die nicht enden wollenden Patchworkstraßen. Nach über 111km und 2100 Höhenmetern auf unfreiwilligem Kopfsteinpflaster war dann das gemeinsame Abendessen umso schöner. Das i-Tüpfelchen war dann noch diese Madame: 


Frischen Mutes starteten wir dann heute in Richtung Gamzigrad, dem wohl einzigen wirklichen Grund, in diesem Flecken Erde zu stranden.
Dies ist eine römische Ausgrabungsstätte mit Festungscharakter, die sich der ehemalige Kaiser Galerius als Altersdomizil und Bestattungsstätte bauen ließ und seiner Mutter widmete, die in der Nähe aufgewachsen war.


Trotz einiger navigatorischer Schwierigkeiten, die weniger auf unseren kyrillischen Lesefähigkeiten beruhten als auf gänzlich fehlender Ausschilderung, kamen wir dann doch noch am Wehrkloster Manasija an.
wenn es dann doch mal ein Schild gibt, sieht's so aus 

Das Kloster ist vollständig von Mauern umgeben und trotzte so jahrelang den türkischen Angriffen.


Von ähnlichem Charakter, aber nicht ganz so gewaltig präsentierte sich uns das nur 30km entfernt stehende Kloster Ravanica, das wir bei einsetzendem Gewitter besichtigten.


Nun schreiben wir euch von einem Campingplatz in Jagodina und hoffen, dass das schlechte Wetter bis morgen weitergezogen ist.

Samstag, 13. August 2016

Transit durchs Bosniens Hinterland, Grenzhoppings und Ankunft in Serbien

Der Krka-Nationalpark stellt ein Paradebeispiel dar für alles weswegen wir aus den touristisch-verseuchten Gebieten Kroatiens „fliehen“ wollten. Kostet er in der Nebensaison gerade einmal 4€ Eintritt, so bezahlt man Im Juli/August umgerechnet 21€ pro Person; Studentenermäßigung Fehlanzeige. Das Ganze zahlt man für 7 Wasserfälle, die über mehr als 30km Flusslauf verteilt sind (der Transport kostet natürlich extra). Davon lohnen nur 3 überhaupt den Besuch und das eher im Frühling. Im Sommer sind sie relativ unspektakulär, teilweise sogar ausgetrocknet. Wir entschlossen uns vor der Öffnung des Parks (8 Uhr) einen Versuch zu wagen, in den Park zu spazieren. Das hätte zudem den Vorteil gehabt, den untersten Wasserfall für uns alleine zu haben. Um 6 Uhr passierten wir das vermeintlich leere Rezeptionshäuschen und kaum waren wir daran vorbei, hallte uns ein scharfes “Hallo, hallo“ hinterher, von dem wir uns nicht beeindrucken ließen. Leider führt eine asphaltierte Straße parallel das ca. 800m langen Wanderwegs, der in den Park führt und somit war es für den menschlichen Wachhund ein Leichtes uns per Auto den Weg abzuschneiden. Er drohte mit Polizei und wer weiß was noch, so gut ist unser kroatisch dann doch noch nicht. Ernüchtert kehrten wir um und versuchten am ohnehin auf unserer weiteren Strecke liegenden zweiten Wasserfall erneut unser Glück. Nach kurzer Suche fragte uns ein älterer dort lebender Mann, was wir suchten und sagte nachdem wir geantwortet hatten:
„Lohnt nicht, kein Wasser, fahrt weiter, weiter, lohnt nicht, kostet zu viel Geld, verrückt“.
Wir folgten seinem Rat und passierten kurz darauf die Klosterinsel Visovac.


Beim dritten und höchsten Wasserfall der Krka gab es zu unserem Erstaunen bei unserer Ankunft keine gesperrten Wege oder Kontrollen.


Wir freuten und, dass wohl die meisten Besucher nur die beiden bekannteren und näher zu den Haupteingängen liegenden Fälle besuchten, genossen die Ruhe der Natur und stellten bei unserer Rückkehr fest, dass inzwischen doch ein Kontrolleur erschienen war.
Wie auch immer, wir kehrten dem Massentourismus den Rücken.

Schon im kroatischen Hinterland erkennt man deutlich die Kriegsschäden aus den 90er Jahren. Wir durchfuhren Knin, eine der damals am heftigsten umkämpften Städte Kroatiens, deren Festung an jedem 5. August (Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit) –in anderen Ländern heißt so etwas Nationalfeiertag- für einen Tag zum wichtigsten Ort Kroatiens mutiert. Hunderte Soldaten marschieren auf, der Präsident kommt vorbei, usw.
Dafür kamen wir 3 Tage zu spät.
Passiert man jedoch die Grenze zum erheblich ärmeren Bosnien-Herzegowina wird der Kulturschock perfekt.
Wir haben wirklich lange überlegt, wie wir euch dieses Land beschreiben sollen.
Zunächst einmal ist es ein bitter armes Land, das Durchschnittseinkommen liegt offiziell bei gerade einmal 400 US$.
Wirklich auffällig sind jedoch die Kontraste, die Bosnien-Herzegowina bietet.
Wie in keinem anderen aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangen Staat, mischen sich hier Ethnien und Religionen.
Der Staat besteht aus 2 weitgehend autonomen Entitäten: der überwiegend von Serben bevölkerten Republik Srpska, die in regelmäßigen Abständen ihre Unabhängigkeit fordert und der von Kroaten und Muslimen dominierten Föderation Bosnien und Herzegowina. In beiden Teilen existieren ein eigenes Parlament und ein eigenes Postsystem. Immerhin auf eine gemeinsame Währung konnte man sich 1998 einigen: die neutrale Deutsche Mark. Nun gibt es die aber seit der Euro-Einführung nicht mehr, aber im Gegensatz zu Deutschland war man hier nicht bereit die Mark aufzugeben. Heute gibt es die Konvertible Mark zu 100 Feninga (natürlich hat jede Entität ihre eigenen Scheine), Umrechnungskurs zum Euro stabil bei 1,95583.
Also, wer sich die gute alte Mark zurückwünscht, einfach nach Bosnien-Herzegowina fahren.

Durch das direkte Zusammenleben von Christentum und Islam stehen zumindest in der Föderation Minarette direkt neben Kirchen, wetteifern Muezzins mit Kirchenglocken, sitzen Burka tragende Frauen neben Frauen im Minirock und Top.
Die Kriegsschäden sind allgegenwärtig. Abgedeckte Ruinen stehen Seite an Seite mit neuen frisch gestrichenen Villen, jeder Ort hat seinen eigenen Kriegsopfer-Friedhof,  Einschusslöcher in Häuserwänden sind keine Seltenheit, Minenschilder warnen in nahezu jedem abgelegenen Gebiet vor dem Betreten der Gegend. Es sollen noch 1-4 Mio. auf bosnischem Boden liegen, das ist trauriger europäischer Rekord.
Die Hauptverkehrsachsen sind in tadellosem Zustand, wir waren verblüfft. Fährt man jedoch von ihnen ab, so bekommt man es mit solchen Straßen zu tun (als normale Landstraße ausgezeichnet).


Auf den Hauptstraßen werden nicht selten Pferdekutschen von glänzenden BMWs mit ausländischen Kennzeichen überholt. Wir vermuten, dass letztere vornehmlich von ausgewanderten Bosniaken auf Heimaturlaub gefahren werden.
Der Tourismus beschränkt sich ansonsten jedoch auf einige wenige Städte.

Hier ein paar typische Impressionen:














Unser erstes Ziel in Bosnien-Herzegowina war Jajce, eine Stadt die unmittelbar oberhalb eines Wasserfalls liegt und auch sonst recht nett anzuschauen ist:


Ganz in der Nähe fanden wir noch diese Wassermühlen-Idylle:


Nach einem abendlichen Slivovic-Umtrunk mit unserem Campingplatzbesitzer und dessen Freund ging es morgens weiter in Richtung Travnik, dem Geburtsort des bekanntesten südslawischen Schriftstellers, Ivo Andric, der 1961 den Literaturnobelpreis erhielt.
Sein Geburtshaus ist zu besichtigen, ebenso wie eine nette kleine Altstadt mit Festung.



Auch hier: zerfallenes Haus inmitten des größten Touri-Kitschs
Auf unserem Weg durch Bosnien-Herzegowina steuerten wir 5 Festungsanlagen an, die etwas abseits des Weges lagen. Die photogenste war Vranduk:


Wir verließen das Land in Richtung Kroatien und statteten Osijek einen Besuch ab.


Dort übernachteten wir dann auch und entschlossen uns spontan am nächsten Tag einen Abstecher nach Pecs in Ungarn einzulegen.
Wir hatten das unglaubliche Glück derselben Grenzkontrolleurin auf Hin- und Rückweg zu begegnen. Eine Tatsache, die man schon von weitem erkannte. Lief es auf der LKW-Spur und auf der Gegenseite wie am Schnürchen, so staute es sich auf unserer Spur über hunderte Meter. Etwas seltsam für eine Grenze zwischen zwei EU-Staaten. Dazu passt dieses Foto, aufgenommen kurz hinter der Grenze, also in Ungarn:


Pecs selber lohnte den Besuch auf jeden Fall, nicht umsonst wird die Stadt regelmäßig unter die lebenswertesten Städte Europas gewählt.



Zurück in Kroatien ging es noch durch Vukovar. Das größte touristische Highlight dieser Stadt ist -wenngleich schon etwas früher gebaut- in den 90er Jahren "entstanden":

Diesen Wasserturm gibt's nebenan auch als Souvenir...
Die abendliche Grenzüberquerung nach Serbien verlief deutlich entspannter als erwartet und wir hatten schon bald die ersten Stempel im Pass.
Wir fuhren noch in die Nähe von Novi Sad auf einen Campingplatz. Novi Sad haben wir dann gestern besichtigt, besonders viel hat die zweitgrößte Stadt Serbiens außer einer Festung aber nicht zu bieten:


Aber wir sind hier ja auch her gefahren, um die Natur und die Klöster der Fruska Gora zu bewundern.
Die Fruska Gora gilt den orthodoxen Christen als einer der drei heiligen Berge; auf relativ kleiner Fläche haben sich in dieser Region 16 orthodoxe Klöster erhalten.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Reisebusse mit pilgerfreudigen, meist in ihre besten Anziehsachen gehüllten, vornehmlich alten Menschen vorfahren. Interessanterweise fahren die Priester gleich mit und geben sich auch sonst sehr nahbar:


Den ersten Halt machten wir am Kloster Novo Hopovo:


Wir verweilten eine ganze Weile und ließen die neu entdeckte Welt auf uns wirken, während im Schlumpf die Nudeln köchelten und Nathan ein paar Brombeeren als Dessert plückte.

Augen auf beim Brombeeren-Pflücken!
Im 10-Minutentakt brummte ein alter, in der EU ausgemisteter Omnibus heran, eine ganze Ladung Pilger/innen steigt aus und strömt in Richtung Kloster.


Bis dahin noch ganz normal. Aber dann passiert plötzlich eine "Verwandlung"- die Gläubigen scheinen wie in Trance zu fallen. Beim Ein- und Austreten wird das Halstuch in einen Kopfüberwurf verwandelt, küssen die Eintretenden den Türrahmen der Kirche und sogleich wird das Portemonnaie gezückt, um die Opferkörbchen zu füllen. Die Ikonen werden im Sekundentakt geküsst, die Gläubigen verbeugen und kreuzigen sich nahezu ununterbrochen, kaufen Bienenwachskerzen, mit denen sie die Kerzenständer bestücken und Souvenirs für die Daheimgebliebenen. Auch die Kinder auf den Armen werden den Heiligenbildern vorgetragen. Untereinander behandeln sich die Menschen in einer warmherzigen Art und Weise. Es wird sich umarmt, bei der Hand genommen, sich gegenseitig geholfen, zusammen mit dem Priester Selfies geschossen oder wie oben schon zu sehen eine geraucht...


Und dann, nach einer vorher scheinbar nicht festgelegten Zeit ist der Busfahrer glücklich, wenn sein Gefährt wieder anspringt und sich auf den Weg zum nächsten heiligen Ort macht.
Auch wir fuhren danach noch zu zwei weiteren Klöstern - einem in Vrdnik und zum krönenden Abschluss zu "dem" Kloster des heiligen Fruska Gora- Krusedol.


Dort wohnten wir einem Gottesdienst bei, der nicht nur für uns, sondern auch für die Orthodoxen zu lange dauerte, um ihn komplett zu verfolgen. Bilder dürfen in der Kirche leider keine gemacht werden- es wäre bei Dunkelheit gepaart mit dem Rauch der Schwenker auch sehr schwierig geworden. Wir haben als Erinnerung ein kleines Büchle gekauft.
Nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz, sind wir nun wieder startklar und machen uns jetzt auf den Weg in die Hauptstadt Belgrad.
Bis bald!