Als der Regen sich kurzzeitig verzogen
hatte, besuchten wir die eigenwillige Kirchenkonstruktion von Episkopi und
fuhren danach in Richtung Westseite der Insel.
Dort empfing uns – wieder im Regen –
der kilometerlange Strand von Falasarna, hinter dem sich noch keine großen
Hotelanlagen erstrecken, sondern ein Meer von Gewächshäusern.
Selbst bei schlechtem Wetter gefiel uns
dieser Strand extrem gut und am nächsten Morgen hatte sich zumindest der Regen
verzogen. Wir fuhren wieder hinauf auf
das Plateau, knipsten ein paar Bilder und machten uns –vorsorglich mit allem
Lebensnotwendigen eingedeckt- daran, die kaum besiedelte Westküste Kretas
abzufahren. Dabei gelangten wir durch urigste Minidörfer, die teilweise mehr
Kirchen als Wohnhäuser zählten. Des Öfteren lagen große Felsen auf der Straße
–Hinterlassenschaften des schlechten Wetters der letzten Tage. Wo keine
Schlumpfbreite frei geblieben war, musste Nathan als Räumgerät fungieren. Diese
Region gab uns einen weiteren Eindruck davon, wie facettenreich dieses Eiland
ist und wie viel Platz für Einsamkeit es trotz angekommenem Massentourismus
noch bietet. In dieser felsigen Einöde befindet sich
auf einem Felsen direkt über der wogenden Brandung des Meeres das Kloster
Chryssoskalitissa, übersetzt bedeutet dies so viel wie Goldtreppe.
Der Sage
nach soll eine der Stufen zum Kloster aus Gold gefertigt sein, einzig für jene sichtbar,
die ohne Sünde gelebt haben. Nun haben wir sie aber beide nicht gesehen und
befanden daher diese Erklärung für äußerst unglaubwürdig. Wir hielten uns aber
auch nicht allzu lange mit der Suche auf, denn das gute Wetter hatte sich
zurückgemeldet und ein ganz besonderer Strand wartete auf uns: Elafonisi. Schon
der erste Blick auf dieses Naturphänomen brannte sich tief in die Netzhaut.
Von einer Bergkette eingerahmt, lag ein
breiter, langgezogener, rötlich schimmernder Feinsandstrand vor uns, der im
flachsten Teil des, in allen Facetten von türkis bis dunkelblau in der Sonne
glitzernden, Wassers eine Landzunge zur vorgelagerten Insel Elafonisi bildete.Dabei störten weder Gebäude noch Menschen die Idylle; lediglich ein paar Möwen durchbrachen die Monotonie des Wellenrauschens.
Auf dem ausgedehnten Parkareal
suchten wir uns den besten Platz und starteten den Motor erst wieder am
übernächsten Tag. Dazwischen lagen erholsame Strandspaziergänge, intensive
Muschelsammelaktionen und viel, viel Ruhe und Erholung.
Damit war es auf der Weiterfahrt
schlagartig vorbei. Von griechischen Straßenschildern geleitet, befanden wir
uns plötzlich auf einer steil gegen den Berg führenden Jeep-Piste, auf der der
Schlumpf- hoffentlich das letzte Mal- seine Offroadfähigkeiten ausspielen
musste. "Highlight" dieses Weges war eine dermaßen ausgespülte
Stelle, dass wir uns genötigt sahen, die "Straße" an diesem Abschnitt
zu sanieren- freilich ohne EU-Gelder. Einige Minuten später kämpften wir uns
dann über die selbstgebaute Überbrückung der Vertiefung. Nassgeschwitzt fuhren
wir in Paleochora ein, dessen Aushängeschild die Lage auf einer- von einem
Sandstrand im Westen und einem Kiesstrand im Osten flankierten- Landzunge ist.
Viel Flair fanden wir hier, im Gegensatz zu den meisten Reisebuchautoren, nicht
vor und schon bald befanden wir uns abermals fernab der Küste, im bergigen
Hinterland. Nach einem Abstecher nach Anisaraki, dessen "Hauptkirche"
nur über eine Schafskoppel zu erreichen ist, rollten wir wieder zur Küste hinab
nach Sougia.
Dort gefiel es uns deutlich besser als
in Paleochora, der Strand bot uns, neben einer Vielzahl an mehrfarbigen
Lavasteinen, die aussahen als seinen sie zusammengeklebt, ausreichend Ruhe und
Stellfläche für eine Übernachtung. Dass nicht nur uns dieser Küstenabschnitt
gefiel, war aus den im Hippiestil gebauten Höhlen entlang des Strandes zu
ersehen. Im Ort selbst fanden wir einen winzigen Korridor mit offenem WLAN, von
wo aus wir das Frauen-Finale der Kunstrad-WM mehr schlecht als recht im
Livestream verfolgten. Immerhin war der Ausgang erfreulich, über den uns
Herbert telefonisch informierte: Herzlichste Glückwünsche zum WM_Titel, liebe Lisa
und liebe Pia! Unser Abendessen nahmen wir mit einem jungen belgischen Pärchen
ein, das sich im Dezember mit Rucksack und Zelt auf Wandertour durch Kreta
begeben hatte- eine mutige Entscheidung. Wir jedenfalls waren froh, den
nächsten Sonnenaufgang aus dem kuschelig warmen Auto beobachten zu können.
Als
die Sonne ausreichend Wärme spendete, begannen wir damit, die Agia-Irini-Schlucht
zu erkunden.
Sie ist fast komplett bewaldet und auch
nicht ganz so spektakulär wie die weltbekannte Samaria-Schlucht, die parallel
verläuft, dafür aber ganzjährig geöffnet. Dass dies bei der größeren Schwester
nicht so ist, wussten wir; einen Blick von oben wollten wir aber dennoch
hineinwerfen. Die Wanderung durch die Samaria-Schlucht beginnt nämlich auf 1227
m.ü.M. und endet direkt am Libyschen Meer.
Den Blick bekamen wir, aber das
eigentliche Spektakel spielte sich eher auf und neben den Straßen ab.
Es hatte geschneit.
Auf 1200 m.ü.M. sollte dies im Dezember selbst in Griechenland doch eigentlich niemanden wundern. Aber weit gefehlt! Das erste Mal seit unserer
Ankunft auf Kreta fanden wir einen Ort, der nicht wie ausgestorben da lag, und
das dort, wo wir nicht eine Menschenseele erwartet hatten. Hier erfuhren wir,
welch abenteuerliche Wirkung Schnee auf Griechen ausübt. Einige kamen einzig
und allein, um das kalte Weiß auf die Ladefläche ihres Pick-Ups zu schaufeln
und fuhren wieder. Andere stiefelten in alberner Schneewander-Montur durch das
bisschen Schnee und fühlten sich dabei wohl wie auf dem Weg zum Südpol.
Kaum
ein Auto fuhr den Berg wieder hinab, ohne einen Schneemannaufbau erhalten zu
haben.
Ganz ohne eisige Verzierung überquerten wir die ebenfalls in weißen
Schleier gehüllte Omalos-Hochebene und rollten dann zur Hauptstraße bei Chania
hinab (andere Ost-West-Verbindungen gibt es aufgrund des bergigen Charakters
der Gegend keine).
Wir übernachteten im Hinterland neben einer kleinen Kirche
mit Brunnen bei Alikambos.
Von dort durchfuhren wir die
Askifou-Hochebene bei dichtestem Morgennebel und parkten nach
serpentinenreicher Abfahrt in Komitades, von wo aus wir die nächste
Schlucht-Wanderung in Angriff nahmen. Die Imbros-Schlucht soll der
Samaria-Schlucht sehr ähnlich sein. Auch sie verbindet das Hochgebirge mit dem
Libyschen Meer, auch ihre Wände sind karg und schroff, wenngleich auch nicht
annähernd so hoch, und auch ihre engste Stelle misst kaum über zwei Meter.
Zwei Meter sind nicht viel und wir haben
keine Risiken und Mühen gescheut euch dies zu verdeutlichen.
Bis zum 2. Weltkrieg war diese Schlucht
der einzige passierbare Landweg in den südlich davon liegenden Teil der Insel, mit
der 300 Einwohner zählenden Hauptstadt des kretischen Südwestens, Chora Sfakion,
einem Ort ohne individuelles Gesicht, aber gut für einige Kreta-typische
Schnappschüsse.
Wer keinen Pick-Up fährt, fällt auf! |
Östlich von Chora Sfakion nimmt die Landschaft
allmählich lieblichere Züge an, sogar eine Straße entlang der Küste konnte
realisiert werden, sodass wir, um nach Frangokastello zu gelangen, nicht wieder
auf über 1000m hinauf mussten. In gespenstisches Licht getaucht, lag die
Festung oberhalb des Strandes vor uns, in ihrem Rücken bahnte sich das nächste
Unwetter an.
Nicht nur wir empfanden das Gemäuer als unheimlich, es ranken sich
diverse Geschichten darum. So sollen jeden Mai, hunderte, im Kampf gegen die
Türken gefallene, Kreter als "Taumänner" zurückkehren, was für die
Lebenden in Form von Fata Morganas sichtbar wird.
Wir luden die Geister zum Tanz und
übernachteten ganz in der Nähe des örtlichen Friedhofs mit Blick aufs Meer. Einzig der Sturm hielt uns wach, bis wir uns entschlossen die Fahrradabdeckung
abzunehmen und den Wagen frontal zum Wind umzuparken. Danach schliefen wir tief
und fest und ohne Albtraum.
Kurvenreich war die Fortsetzung unseres
Weges zum Moni Preveli. Der einzige Mönch hielt im nächsten Dorf
einen Nikolaus-Gottesdienst ab und wir mussten erst auf seine Rückkehr warten,
bevor wir das Klostergelände mitsamt eines kleinen Zoos und Minigranatäpfelchen-Pflanzen
besichtigen konnten.
Wie die meisten Klöster Kretas steht
auch dieses in sagenhaft schöner Landschaft. So befindet sich in unmittelbarer
Nähe dieser Strand, an dem der Fluss Megalopotamos ins Meer mündet, der sich
eine von Palmen gesäumte Schneise durch die Bergwelt gefressen hat.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen