Sonntag, 4. Dezember 2016

Attisches Intermezzo

Vielleicht wollte uns der Gauner einfach nur den Abschied von der Peloponnes etwas leichter machen. Was er genau vorhatte, bleibt ein Rätsel. Wir mussten schlafarm und schweren Herzens, diese traumhaft schöne Halbinsel nun über Korinth verlassen. Dort nahmen wir die beim letzten Besuch noch nicht gesehene Senkbrücke am nordwestlichen Ende des Isthmus, schwenkten bald darauf weg von der Küste in den bergigen Westen, wo wir in Porto Germeno die ersehnte Ruhe und Einsamkeit fanden, nach der uns an diesem Tag zumute war.


Wir mussten einfach raus aus der stressigen rollenden Blechlawine, dem ersten Vorboten des gar nicht mehr weit entfernten Athens. Vor allem die knöchelhohen Gleise der uralten unbenutzten Bahnübergänge ließen an diesem Tag nur die besondere griechische unorthodoxe Fahrweise zu, die sich durch den Wechsel von abruptem Bremsen und Beschleunigen auszeichnet. In Deutschland findet man solche Vorkriegsrelikte allenfalls noch auf eingezäunten und vergessenen ehemaligen Güterbahnhöfen. Selbst in Albanien waren zwar die Brückenbauer nicht die genauesten, aber immerhin gab es dort auf unserem Weg nicht so viele unnötige Gleise. Schlumpfi meisterte die Hürden als würde er darüber schweben, uns scheint fast als hätte er seit dem Eierstrand ohnehin seine durch eine rosarote Brille blitzenden Scheinwerfer mehr neben als auf der Straße- zum Beispiel bei diesem hübschen Kulleraugen-Hippie-Bus. 


In Porto Germeno angekommen, fanden wir neben der Festung mitten im Olivenfeld ein lauschiges Plätzchen, von wo aus wir binnen weniger Minuten das kleine Dorf erkundet hatten. Außer zwei Renovierungsarbeitern an der Festung, einem Kioskbesitzer und zwei Personen in einer Taverne und einem Café lag das Dorf wie ausgestorben vor uns. Wir nutzten das öffentliche WLAN, tranken einen Cappuccino mit Meerblick und legten uns sehr früh schlafen. Noch bevor der erste Hahn krähte, befanden wir uns schon auf dem Weg nach Eleusina. Dort begutachteten wir die Reste des Demeter-Heiligtums, in dem in der Antike die eleusinischen Mysterien gefeiert wurden.


Wie genau die Kultfeiern damals abliefen, lässt sich wegen der Schweigepflicht, die den Teilnehmern auferlegt wurde, nicht genau sagen. Unsere Vermutung ist jedoch, dass man sich damals dort zum Legospielen traf.


Der heilige Zeremonienweg der Antike hat sich in eine Schnellstraße verwandelt und führt am Kloster Dafni vorbei, das wir leider verschlossen vorfanden. Also ging es weiter in Richtung Piräus, um an Griechenlands größtem Hafen Planungssicherheit zu erlangen. Auf dem Weg dorthin wühlten wir uns durch dichtesten Großstadtverkehr. Dessen Athener Variante besteht aus eben noch fahrenden, plötzlich warnblinkenden und stehenden Autos, die von drei Fahrspuren nicht selten nur eine frei lassen, aus Krankenwagen mit Blaulicht, die im logischerweise auf dieser einen Fahrspur entstehenden Stau stecken bleiben und vor allem aus dermaßen vielen Motorrad- und Vespafahrern ohne Kopfbedeckung, dass wir uns fragten, ob es nicht sinnvoll sei die nächsten EU-Millionen in Motorradhelme zu investieren, die dann unter der Athener Bevölkerung verteilt werden. Angesichts der winterlichen Fährverbindungen entschlossen wir uns, nur Kreta anzusteuern. Vorher aber wollten wir zur genaueren Kalkulation des Rückfahrt-Termins das Athener Umland unter die Lupe nehmen. Unser Tatendrang ließ uns noch am selben Tag den 50 km entfernten Poseidontempel am Kap Souron aufsuchen, in dessen Nähe wir übernachteten.


Am dritten Tag in Attika widmeten wir uns dem Artemis-Tempel von Brauron und dessen Museum mit den Statuen der "Bärenmädchen".


Die im Artemis-Tempel erzogenen Mädchen hießen so, weil die Göttin Artemis durch eine Bärin verkörpert wurde.


Doch damit war unser Tagwerk noch nicht vollbracht. Schließlich wollte der Marathoni noch nach Marathon. Nach einem kurzen Besuch beim Grabhügel der 490 v. Chr. in der Schlacht um Marathon gefallenen Athener, erweiterten wir unseren Horizont durch einen Besuch im örtlichen archäologischen Museum. Im Anschluss daran versuchte sich Nathan trotz längerer Trainingspause an der klassischen Marathonstrecke, die heute durchgehend als Schnellstraße ausgebaut ist. 


Sehr weit kam er dabei freilich nicht, doch der blaue Besenwagen machte es besser und lag bei Kilometer 30 trotz zahlreicher roter Ampeln auf Weltrekordkurs. Ein plötzliches "Links abbiegen!" vom Beifahrersitz beendete den Rekordversuch abrupt und führte uns zurück zum Hafen von Piräus. Dort erwarben wir unsere Fahrscheine für die Fähre nach Kreta und erfuhren, dass die Fähre statt, wie gewöhnlich, um 21 Uhr aufgrund eines Streiks erst um Mitternacht ablegen würde. Nach einer endlos erscheinenden Wartezeit von knapp 8 Stunden rollten wir schließlich auf die Fähre, auf der wir hektisch von allen Seiten in griechischer Sprache angeschrien wurden, bis schließlich ein des Deutschen mächtiger Einparkhelfer sich unserer erbarmte. Sehr zu unserem Leidwesen erlaubten die Regularien der Fähre kein "Camping on Bord", sodass wir die zweite Nacht auf dieser Tour außerhalb des Schlumpfs übernachten mussten. Viel Schlaf fanden wir nicht, gemeinsam kamen wir auf ganze drei Stunden Dös-Zustand auf dem Teppichboden der Bordbar, von denen ganze null Stunden auf Nathan entfielen. Trotzdem bewerkstelligte er um 9 Uhr morgens das millimetergenaue Ausrangieren des Schlumpfs und so hatten wir alsbald wieder festes Land unter den Rädern.

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