Samstag, 3. September 2016

Die touristisch erschlossene Ecke Bosniens und Rückkehr an die kroatische Küste

Hallo ihr Lieben,
gerne hätten wir schon früher geschrieben und der Text war auch schon mehrfach aktuell und fertig, aber die Internetverbindungen, die wir die letzten Tage vorfanden, spielten nicht so recht mit. Umso schöner, dass es nun geklappt hat.

Von den Kontrasten Bosnien-Herzegowinas haben wir euch schon berichtet, doch nirgends treten diese so offen zu Tage wie in Sarajevo.



rausgeputzt...
...und vermodert
Die Stadt ist in mehrfacher Hinsicht geteilt. Im orientalisch geprägten Osten der Innenstadt könnte man meinen sich in Marokko oder der Türkei zu befinden. Im Westen jedoch dominiert die österreichisch-ungarische Architektur, man wähnt sich im Herzen Mitteleuropas.


Nationalbibliothek...
...und Basar, keine 300m voneinander entfernt
Außerdem zieht sich die Entitätengrenze durch den südlichen Teil der Stadt, daher ist auf den Straßen östlich von Sarajevo (in der Republik Srpska) meist auch nicht Sarajevo ausgeschildert, sondern nur Ost-Sarajevo (der serbische Stadtteil), der einige Kilometer vom Zentrum entfernt liegt.
3 Ereignisse haben Sarajevo seinerzeit in den Weltfokus gerückt:
Die Erschießung Franz Ferdinands 1914 durch Gavrilo Princip, die Olympischen Winterspiele 1984 und die jahrelange Belagerung der Stadt durch serbische Truppen im Bosnien-Krieg.
An der Stelle, von der aus Princip den österreichisch-ungarischen Thronfolger und seine Frau erschoss, wurde ein Museum errichtet.


Die olympischen Austragungsstätten sind teilweise renoviert (Skipisten), teilweise von Minen umgürtet (Bobbahn, Skisprungschanzen) und liegen größtenteils außerhalb der eigentlichen Stadt.
Wirklich prägend auf das Stadtbild wirken sich die Belagerungsschäden aus, die an vielen Orten die Erinnerung aufrecht erhalten sollen. Sarajevo geht sehr offen mit der Zeit zwischen 1992 und 1995 um; es gibt diverse Galerien und Museen, die einen Einblick in den damaligen Alltags zu geben versuchen.
Unser Quartier bezogen wir etwa 12 km außerhalb der Stadt. Um in die Stadt zu gelangen, fuhren wir 35 Minuten mit der Tram die Hauptstraße entlang, an der u.a. auch das Holiday Inn Hotel steht, das den internationalen Reportern während der Belagerungszeit als Unterschlupf diente:


Noch vor einigen Jahren wäre dieses Unterfangen hochgradig lebensgefährlich gewesen, denn in den Sarajevo umgebenden Bergen saßen hunderte Scharfschützen und nahmen die Bewohner der Stadt ins Visier. Besonders einfach war dies auf der breiten vierspurigen Verbindungsstraße zwischen Innenstadt und Flughafen und so ist es nicht sehr verwunderlich, dass ein Großteil der Fassaden an dieser Straße noch heute mit Einschusslöchern durchsiebt ist. Bestes Sinnbild für die Zerstörung ist das von außen zerschossene –und absichtlich so belassene- Gebäude des Historischen Museums, das eine kleine, aber sehr anschauliche und sachliche Ausstellung der Belagerungsjahre 1992-1995 beherbergt.


Besonders berührten uns Fotos, die während der Belagerung geschossen wurden und die Alltäglichkeit des Todes hervorhoben, eine Fotocollage, mit Bildern diverser Gebäude Sarajevos direkt nach dem Krieg und heute sowie die im Erdgeschoss platzierten Fotos von der pathologischen Untersuchung der Opfer von Srebrenica.
Vollkommen kontrastiert werden solche Eindrücke in der Altstadt, in der reges Treiben herrscht, aber auch nie die Zeit fehlt sich einen bosnischen Kaffee zu gönnen, idealerweise in guter Gesellschaft.
Es folgen einige Impressionen:






Kirchtürme und Minarette stehen heute (wieder) friedlich nebeneinander, die meisten historischen Gebäude erstrahlen in neuem Glanz aber auch hier finden sich wenige Meter weiter Häuserruinen und Einschusslöcher.
Wir bestiegen die alte Festungsanlage, die diesen Namen kaum noch verdient und genossen den Blick über die Stadt.

Minarette, Kirchtürme und Hochhäuser halten sich in etwa die Waage
Den Abschluss unseres Sarajevo-Aufenthalts stellte das Tunnel-Museum dar, welches nahe des Flughafens im Hinterhof eines Wohnhauses liegt.
Während der Belagerung war Sarajevo komplett von serbischen Truppen umzingelt, nur nach Süden hin schloss sich freies bosnisches Gebiet an, welches jedoch hinter dem von der UN kontrollierten Flughafen lag. Hier ein Bild zur Verdeutlichung:

Rot = serbische Stellungen
Der einzige Weg in die Stadt und aus der Stadt führte also über diesen Flughafen. Den Flughafen zu passieren war jedoch streng verboten und wurden die UN-Soldaten auf Fußgänger aufmerksam, wurden diese zurückgeschickt. Dazu kam die nicht unerhebliche Bedrohung durch Scharfschützen und so mancher Bosnier starb bei dem meist nächtlichen Versuch den Flughafen zu überqueren.
Eine Versorgung der belagerten Stadt war über diesen Weg nicht möglich. Daher entschlossen sich die Einwohner Sarajevos in mühevoller viermonatiger Handarbeit einen Tunnel unter dem Flughafen zu graben.
Dieser 800m lange Tunnel war daraufhin über 2 Jahre die Lebensader der Stadt, 20 Tonnen Hilfsgüter wurden durchschnittlich pro Nacht in die Stadt geschafft, Verwundete hinaus.
Dadurch konnte die Stadt gehalten werden. Heute stehen noch die ersten 25m des Tunnels, der Rest ist eingestürzt:

Wir trauten uns wieder auf die bosnischen Straßen und fuhren (wenn die Verhältnisse es zuliessen)


nach Lukomir, einem kleinen idyllischen Bergdorf direkt an der Rakitnica-Schlucht gerade einmal 30km Luftlinie von Sarajevo entfernt. Hier läuft alles noch etwas langsamer ab...


Wir wanderten ein wenig entlang der Schlucht und inhalierten die kühle Luft und die Ruhe der abgeschiedenen Bergwelt.


Danach ging es über die gleichen holprigen 20km Schotterpiste durch unberührte Natur zurück


und weiter durch das wunderschöne Tal der Neretva, jenes Flusses, der auch in Mostar eine so bezaubernde Wirkung entfaltet. Kurz vor Mostar suchten wir uns einen ruhigen Campingplatz und kletterten müde ins Bett. 
Am Tag nach unserer Ankunft standen wir zeitig auf und schafften es, das 30km entfernte Počitelj so früh zu besichtigen, dass es für eine Weile nur uns allein zu gehören schien.




Wir erkundeten selbst den hintersten Winkel, den äußersten Burgmauerstein und stiegen auf einer steilen und etwas brüchig gewordenen Treppe auf den höchsten Burgturm, um dieses wunderschöne Panorama zu bewundern:


Die harmonische Komposition von Moschee, Kirche und Burg und die Lage oberhalb der uns weiterhin begleitenden Neretva machen diesen Ort wohl zur schönsten Kleinstadt des Landes.
Einmal mehr wurden wir dafür belohnt, dass wir früh morgens schon auf den Beinen waren. Als wir zurück zum Schlumpf kamen, war dieser schon inmitten von Reisebussen eingeparkt.
Wir fuhren weiter nach Radimlja, einer mittelalterlichen Begräbnisstätte mit einer Reihe Stećci, kunstvoll gearbeiteten Grabsteinen.



Wir statteten noch Stolac einen Besuch ab, erwanderten die Festung und trafen hier, 20km vom wilden Treiben in Počitelj entfernt, nicht eine touristisch interessierte Seele an.



Der Nachmittag diente dem eisigen „Badevergnügen“ in der Buna, die direkt neben unserem Campingplatz fließt. Wassertemperatur um die 15°C…sehr erfrischend.



Am nächsten Tag packten wir dann mal wieder die Fahrräder aus und radelten in das 5km entfernt Blagaj, wo die Buna ihre Quelle hat und neben dieser Quelle das Derwisch-Haus mutig an den Felsen gebaut ist.



Später fuhren wir noch ein weiteres Mal an diesen Ort, diesmal allerdings zusammen mit unserem Campingplatzbesitzer, der für uns den Preis eines bosnischen Kaffee-Sets verhandelte.
Auf der kurzen Fahrt erzählte er uns von nach wie vor herrschenden Spannungen zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken, aber auch davon dass er als Bosniake sowohl serbische wie auch kroatische Freunde habe. Auch vom Krieg erzählte er ein wenig. Bosnien-Herzegowina ist für ihn „a paradox country“. Das bestätigte unsere bisher gesammelten Eindrücke.
Am späten Nachmittag fuhren wir dann nach Mostar und blieben bis zur einsetzenden Dunkelheit.
Das Wahrzeichen Mostars ist natürlich die Alte Brücke, die sich seit 2004 wieder majestätisch über die Neretva spannt.



auf der Brücke





1993 war dieses Symbol der Verbindung zwischen Christen und Moslems im Zuge des Bosnienkriegs komplett zerstört und in den Jahren nach dem Krieg detailgetreu wiederaufgebaut worden, dafür wurden sogar die originalen Steine aus der Neretva gefischt und restauriert soweit dies möglich war.
Hin und wieder –wenn genug ermutigende Spenden gesammelt wurden- springen die Brückenspringer von hier in den eiskalten Fluss, der nie wärmer ist als 17°C. 



Die Stadt lebt von der Brücke und dem Blick darauf und in der Tat hat jeder neue Blickwinkel eine neue Wirkung auf uns gehabt.







Aber Mostar hat noch eine weitere schöne Brücke, die Kriva Cuprija, die einer Legende zufolge als Test für die große Brücke angelegt wurde.



Über die gesamte Altstadt verteilt, findet man immer wieder Aufschriften, die an den Krieg erinnern, aber zu Vergebung aufrufen. Diese Nie-Wieder-Krieg-Stimmung haben wir im ganzen Land, v.a. aber auch in Sarajevo gespürt.



Als wir zu unserem Auto zurückkamen, hatten wir 4 Stunden und 10 Minuten geparkt, der Parkwächter machte eine wegwerfende Handbewegung und kassierte für 4 anstatt für 5 Stunden, das passte irgendwie auch in unseren Gesamteindruck eines Landes, das auf jeden Fall etwas ganz Besonderes für uns bleiben wird. Und das nicht nur, weil die bosnisch-herzegowinischen Bäcker unübertreffliche Leckerbissen zaubern.
Unser letzter Tag in Bosnien-Herzegowina startete mit einem kurzen Stopp in Medjugorje, der angeblich reichsten Stadt des gesamten Landes. 1981 erschien hier einigen Jugendliche angeblich –selbst der Vatikan verbleibt in Skepsis- die heilige Maria. Wie auch immer, man baute eine große Kirche, einen noch größeren Platz für Gottesdienste, stellte dem ganzen hunderte Souvenirshops zur Seite und seitdem schwimmt die Stadt im Geld. 



Wir hatten nicht den Eindruck etwas dazu beisteuern zu müssen und flohen nach Kravica. Die dort prasselnden Wasserfälle bieten ein Natur-Freibad mit grandioser Kulisse.





Völlig unbeschwert war die Atmosphäre und wir verweilten die ein oder andere Stunde. Als sich der größte Nackte-Haut- und Badetrubel gelegt hatte, kamen asiatische Reisegruppen an, die mal etwas aussahen, als man das sonst so gewohnt ist.




Generell scheint Bosnien-Herzegowina aufgrund der -wir nennen es mal- muslimischen Infrastruktur Touristen aus dem Nahen Osten anzuziehen.
Schweren Herzens verließen wir dieses paradoxe Land -wir werden noch 1-2mal kurzzeitig zurückkehren-  nach einer Übernachtung auf einem Tankstellenparkplatz und erreichten, nachdem wir alle Vorräte vor der Grenze aufgefüllt hatten, Trogir. Wir erlebten tatsächlich einen schmerzlichen Kulturschock.


Ohne Frage ist Trogir eine unglaublich schöne Stadt, ohne Frage hat es sich gelohnt, die Hauptsaison verstreichen zu lassen. Denn mittlerweile merkt man an der Adriaküste, dass der große Rummel vorbei ist- durch die Städte wird man nicht mehr durchgeschoben und die Apartment-Vermieter sitzen an der Straße und preisen mit Schildern ihre freien Wohnungen an und wollen noch die letzten Touristen erhaschen, die ihnen Geld zuschustern. Aber wer aus einem Land kommt, in dem er nicht ein Verbotsschild vorgefunden hat, kann ob solcher Anblicke nur den Kopf schütteln:





Alles ist reguliert, alles und auch wirklich alles kostet Geld und das auch nicht zu knapp. Das schlimmste aber ist die verbreitete Unfreundlichkeit mit der man beim Geldausgeben behandelt wird, man kommt sich zuweilen fast vor wie eine Kuh, die gemolken wird.

Wir durchwanderten also Trogir, das auf kleinstem Raum (500x200 Meter) auf einer Insel errichtet wurde und in den letzten 300 Jahren aus Platzmangel keine baulichen Veränderungen erlebt hat, mit der Ausnahme, dass in die Befestigungsanlage ein Fußballfeld integriert wurde. Der Ballverschleiß des hier spielenden Vereins muss immens sein, der Platz ist von 3 Seiten vom Meer umgeben und die Absperrungen nicht allzu hoch.



Kultureller Höhepunkt ist die Kathedrale, deren Turm wir noch bestiegen, um die komplette Altstadt überblicken zu können.



Wir beschlossen die eigentlich für den nächsten Tag vorgesehene Split-Besichtigung vorzuziehen und staunten über Größe, Schönheit und Ausstrahlung des Diokletianpalastes.
Er ist kein Palast im eigentlichen Sinne, sondern bildet mit 4 Toren und einer Fassade aus Überresten römischer Mauern vermengt mit Häusern deutlich jüngeren Alters vielmehr einen markanten Rahmen für die Altstadt.



In deren Mitte ragt der Glockenturm der Kathedrale hoch in den Himmel und an fast jeder Ecke zeugen römische Relikte von der Geschichtsträchtigkeit der Stadt.






Auch durch die Katakomben des Palastes kann man wandern. Wir schlenderten umher, beobachteten die als Gladiatoren verkleideten Männer, die hofften von Touristen auf Fotos angesprochen zu werden und ließen das abendliche Treiben auf uns wirken. 



Irgendwann war es dann Zeit zu gehen und wir stiegen die Treppen zum Aussichtsberg der Stadt empor, auf dem wir unser Auto fernab des Trubels geparkt hatten.


Nach wenigen Kilometern befanden wir uns wieder auf der Adria-Küstenstraße, die sich in ihrem gesamten Verlauf fantastisch um die einzelnen Buchten schlängelt, immer vom Meer auf der einen und vom Felsen auf der anderen Seite flankiert.
Ab Makarska ist sie noch einmal besonders spektakulär, da dort die hohen Bergriesen des Biokovo-Gebirges quasi bis direkt ans Meer reichen. Nathan wollte den höchsten der Gegend, den Sv. Jure, mit dem Rad bezwingen -1750 Höhenmeter am Stück, das weisen die wenigsten Alpenpässe auf- aber nach 350 Höhenmetern machten die kroatische Geldgier und eine Schranke sein Vorhaben zunichte. Selbst Radfahrern wurde hier Maut abverlangt- so etwas haben wir noch nicht erlebt. Da er aber kein Geld einstecken hatte, fuhr er eine andere Schleife und wir erfrischten uns anschließend im Meer 



bevor wir zum Fährhafen nach Drvenik fuhren, von wo aus wir auf Hvar übersetzen.
Auf der Insel angekommen, waren wir beeindruckt von der trotz Hitze reichhaltigen Flora und Fauna und den inseltypischen kleinen Hafenorten, wie zum Beispiel Vrboska.



Wir merkten bald, dass Hvar im Sommer auch als deutsche Kolonie durchgehen könnte und lernten bei der Campingplatzsuche zuvorkommend unfreundliche Wohnmobilschlittenbesitzer kennen, die im Urlaub die Rolle der nicht sehr präsenten Polizei sowie die Verkehrs- und Maßregelung übernommen hatten. So hat hier fast alles seine deutsche Ordnung, auf dieser Insel- nur die Natur, die wächst wild, fruchtbar und üppig. Oliven-, Feigen-, Granatapfel- und Zitrusfruchtbäume sowie Lavendelfelder säumen die Straßen. Außerdem wird im Landesinneren, wo die meisten Touristen nur wohl oder übel, auf dem Weg zur Küste, die schönen schmalen Sträßchen fahren, Weinbau betrieben. Für die Landwirtschaft wird auch gerne mal eine Straßenseite in Anspruch genommen, wie wir perplex auf unserer Hvar-Rad-Tour feststellten.



Die Insel ist so nah am Festland gelegen, dass man vom Inselinneren die Berge der Adriaküste sieht, ohne das dazwischen liegende Meer auch nur zu erahnen.
Das Straßennetz ist leider nicht besonders ergiebig und ein one-way-Tunnel machte uns zudem noch einen Strich durch die Streckenplanung. Aber für eine kleine Rundtour hat es gereicht und wir hatten uns ein Eis verdient- Lavendeleis schmeckt Svenja ganz besonders gut. Gerne kehrten wir auf den Minicampingplatz zurück, wo wir uns sehr wohl fühlten. Der Schlumpf stand direkt am kleinen Fischerhafen, von wo aus die örtlichen, urigen Fischer mit ihren Booten abends auf Fang gehen.



An der geschlängelten Felsküste findet ein jeder einen einsamen Ort zum Sonnen und Baden.



Wir packten freudig unsere Schnorchelsachen wieder aus und bewunderten die Unterwasserwelt. Das Meer wird sogleich tief und man kann wunderbar die Fische beobachten, die sich hier noch näher an Menschen heran trauten als wir das bisher gewohnt waren. Und dann kam auch noch dieses albtraumhafte Wesen vorbei:


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