Dienstag, 8. November 2016

Korfu - Sommer im Herbst

Nach einer fast zweistündigen Überfahrt fuhren wir auf Korfu von der Fähre und wendeten uns in Richtung Norden, um einen Schlafplatz zu ergattern. Die Insel empfing uns mit einer sommerlichen Blütenpracht, die wir zu dieser Zeit eigentlich nicht mehr erwartet hatten und mit einer wohltuenden Wärme. An dieser Stelle müssen wir gestehen, dass wir, obwohl Korfu schon vor der Tour als Zwischenziel feststand, doch recht planlos ankamen und nun komplett improvisieren mussten, lediglich die grobe Richtung Norden stand fest. So währte unsere Irrfahrt auf der Suche nach einem abgelegenen Plätzchen auch länger als gewöhnlich und wir mussten zuvor einige kleine und teilweise haarsträubend enge Bergstraßen hinter uns bringen. Letztlich wurden dann aber doch fündig und verspeisten die letzten gerösteten Maronen, die dem Schimmel noch getrotzt hatten, genossen den Sonnenuntergang über der Westküste und mussten einem interessierten Korfioten, der uns von der Straße gesehen hatte, alles über unser Gefährt erzählen; schließlich fuhr er auch –sichtlich stolz- einen VW- Golf Baujahr 1990.


Als die Sonne wieder aufgegangen war, schnappten wir uns als erstes die Räder. Zu schön war unsere gestrige Strecke gewesen, um sie nicht noch einmal unter die unmotorisierten Räder zu nehmen. Durch schier endlose Olivenhaine ging es auf und ab. Zwischendurch hielten wir an, um einem der typischen Olivenholzlädelchen einen Besuch abzustatten.


Mit einem Schneidebrettle auf dem Gepäckträger ging es weiter...


Drei Stunden später, wieder am Schlumpf, erweiterte Nathan die Tour alleine um einen Abstecher zum Pantokrator- dem höchsten Gipfel der Insel, während Svenja sich um die Internetarbeit kümmerte- es war viel aufzuholen. Nathan erlitt auf der Abfahrt einen Manteltotalschaden am Hinterrad und musste wohl oder übel 14 km auf der Felge zurückrollen. Schuld war der erst 1 Monat zuvor im Kosovo gekaufte Mantel- gute Qualität hatten wir für 8 Euro nicht erwartet, aber auch nicht solch rapiden Verschleiß!
Die recht hügelige Küstenstraße brachte uns schließlich nach Agios Stefanos, im Nordosten der Insel, von wo wir einen fantastischen Blick über die Meerenge nach Butrint genießen konnten und danach eine unglaublich steile Rampe zum kleinen Strand von Kerasia hinunterrollten, an dem außer einer Taverne alle Häuser schon für den Winter hergerichtet waren. Am Ende des Strandes fanden wir eine perfekte sichtgeschützte Nische für uns und unseren fahrbaren Untersatz:

Na, wer findet den Schlumpf?

Es war wohl einer der schönsten Stellplätze unserer bisherigen Tour, allerdings wäre es undenkbar hier in der Saison zu stehen. Leider erwies sich der Tavernenbesitzer als recht ungemütlicher Zeitgenosse und wir zogen es vor am nächsten Tag weiterzuziehen, sonst hätten wir eine weitere Nacht an gleicher Stelle durchaus in Betracht gezogen.
Wir folgten erneut der Küstenstraße, dieses Mal in Richtung Westen und stoppten in Sidari, einem Dorf, in dem sich die typischen Touristenshops aneinander reihen. Aber wir wollten ja auch gar nicht nach Sidari selbst, sondern zum Kanal der Liebe, einer natürlichen Verbindung zwischen zwei kleinen Buchten, nach deren gemeinsamer Durchschwimmung einer Sage nach Pärchen Glück in der Liebe haben sollen. 


Tja, das hätten wir gerne ausprobiert, nur wie man sieht, reichte der Wasserstand dafür nicht aus.Dafür konnte man in der Nachbarbucht umso besser baden.



Später, einige Meter höher und einige Kilometer weiter südlich, wählten wir diesen Flecken Erde für unsere Nachtruhe.


Er hatte nur einen Makel, der lehmige Boden war schon bei Trockenheit recht tief und als es nachts anfing zu schütten, mussten wir „umparken“, weil sonst zu befürchten gewesen wäre, dass wir es am nächsten Morgen nicht aus dem Matsch heraus geschafft hätten. Die Scheibenwischer überschlugen sich geradezu, allzu viel Sicht gaben sie dennoch nicht frei. Völlig übermüdet musste Nathan zu allem Überfluss auch noch Erdkröten-Slalom fahren, diese dummen Geschöpfe watscheln regelrecht vors Auto, anstatt davor zu fliehen…Im Schritttempo erreichten wir die nächste Ausbuchtung und stoppten den Motor ohne große Ansprüche zu stellen.
Nach dieser unruhigen Nacht machten wir uns schon früh auf den Weg zur Festung Angelokastro, die in den Tagen venezianischer Herrschaft über Korfu zu den wichtigsten Verteidigungsanlagen der Insel gehörte, heute allerdings recht verfallen auf ihrem Hügel liegt. 


Direkt im Anschluss setzten wir unsere Reise nach Paleokastra fort und flohen vor den Touristen-Haschern am Strand auf den Stadtberg. Es war so warm, dass wir uns nach dem kurzen Aufstieg zum Klösterchen über den schattigen, nach Hibiskus- und Basilikum duftenden Klostergarten freuten, an dem wir uns ein ganzes Weilchen erfreuten. 


Als dann aber zwei deutsche Familien mit laut schreienden Kinder und noch lauter schreienden Eltern auf der Bildfläche erschienen, war es für uns an der Zeit nach ruhigeren Gefilden Ausschau zu halten. Was in der Hauptsaison wohl fast unmöglich sein muss, gelang uns im Oktober doch recht einfach. An einer Taverne mit einladendem Parkplatz, 10 Fußminuten vom Mirtiotissa- Strand 


entfernt, fragten wir, ob Übernachten erlaubt sei. Der Besitzer erlaubte uns dies nicht nur, sondern empfahl uns weiter auf sein Gelände zu fahren, da wir dort ruhiger stehen könnten. Und das konnten wir:


Dieser Stellplatz, der zu allem Überfluss über W-LAN und eine Steckdose verfügte, bekam von uns den Namen „Paradies“ verliehen und verschaffte uns eine tiefgreifende Erholung, wie wir sie nur selten auf dieser Tour gefunden haben. Zwischen Oleander, Wandelröschen, Drillingsblumen, Zylinderputzer und Hibiskus zogen einzig ein paar Hühner ihre Kreise. Auf dem Weg zum Strand konnte Svenja frischen Thymian und Salbei pflücken und so ihre Kräutersammlung auffüllen. Derart verwöhnt beschlossen wir eine weitere Nacht zu bleiben, faulenzten den folgenden Tag am Strand und schufteten vor dem PC, gingen zufrieden ins Bett und brachen am nächsten Tag schweren Herzens wieder auf, denn die Gastfreundschaft hatten wir unserer Meinung nach lange genug ausgekostet.
Wir nahmen den Weg nach Pelekas. Das ist ein kleines Dorf an einem steilen Hang oberhalb eines Strandes und direkt unterhalb des sogenannten „Kaiser’s Throne“, einer Aussichtsplattform mit Blick über fast die komplette Insel, von der Kaiser Wilhelm II seinerzeit regelmäßig den Sonnenuntergang beobachtet haben soll. Dieser hatte nämlich das Achilleon, eine für Kaiserin Sissi erbaute Villa mit Prachtgarten, aufgekauft und residierte daher regelmäßig auf Korfu. Nathan – mit einem von Svenjas Mänteln ausgestattet- machte sich auf eine etwas größere Radtour, während Svenja sich am Strand entspannte, das Dorfleben auf sich wirken ließ und auf dem Rückweg in einem Privatgarten Orangen ernten durfte, soviel sie tragen konnte.
Gemeinsam mit einigen weiteren, größtenteils deutschen, Schaulustigen beobachteten wir den „kaiserlichen“ Sonnenuntergang von der Terrasse des eigentlich geschlossenen Restaurants eines Hotels.


Im Gegensatz zu allen anderen fuhren wir bei Einbruch der Dunkelheit jedoch nicht weiter, sondern übernachteten auf dem Parkplatz vor der Aussichtsplattform und neben dem Hotel. Dieses findet eigentlich nur deshalb Erwähnung, weil am nächsten Morgen ein zweites Mal unsere Autobatterie versagte und die einzige Person weit und breit der Besitzer des Hotels war. Gerne und routiniert gab er uns Starthilfe und wünschte uns eine gute Fahrt. Möglichst langsam rollten wir als 40km/h-Verkehrshindernis in die Inselhauptstadt um die Batterie so gut es ging zu füllen. Nur gut, dass die meisten Autos auf Korfu von ausländischen Touristen gefahrene Mietwagen sind, sodass die Einheimischen ans Schleichen gewöhnt sind und das erwartete Hupkonzert ausblieb.
In Korfu-Stadt angekommen, parkten wir auf dem zentralen Platz ein und wendeten uns dem Museum für Asiatische Kunst zu. Das ist zwar nicht unbedingt das, was wir hier erwartet hatten, aber der Stifter des Museums Gregorios Manos war gebürtiger Korfiote und sorgte dafür, dass seine Sammlung hier ausgestellt wird. Auf zwei Stockwerken erhielten wir einen anschaulich präsentierten Überblick über die Kunstgeschichte des Fernen Osten.
Korfus Altstadt duckt sich im Schutze zweier Festungen, einer im Osten und einer im Westen, fast als würde die Gefahr von hoher See auch heute noch jeden Tag hinter dem Horizont lauern. Den schönsten Blick auf die Stadt erhielten wir nach dem Besteigen der Neuen Festung.

Selbst das Löwenmäulchen blühte noch Ende Oktober

Auf dem Rückweg wurden wir dann kritisch von einer Hadun-Familie beäugt. Hier das Familienoberhaupt:


Die Alte Festung zeichnete sich eher durch kleinere Museen und den Uhrturm in ihrem Inneren aus. Das archäologische Museum war leider- seit mittlerweile vier Jahren- geschlossen. So schlenderten wir noch ein wenig durch die Innenstadt und fuhren, den Tag auskostend, erst am frühen Abend weiter. Fährt man an der Küste entlang in Richtung Süden weiter, so gelangt man ganz automatisch auf die Halbinsel Kanoni, von der aus man einen tollen Blick auf die Mäuseinsel hat. 


Nach einem kurzen Fotostopp unter laufendem Motor führte unser Weg zum oben bereits erwähnten Achilleon- dem einstigen Feriendomizil von Kaiserin Sissi. Auf dessen Besichtigung, auf die wir ohnehin nicht sonderlich scharf gewesen waren, verzichteten wir jedoch aufgrund eines unverschämt hohen Eintrittspreises. Wir knipsten das allerletzte (scharfe) Bild, das unsere Spiegelreflex hergab und trollten uns zum angeblich schönsten Sandstrand der Insel. In der Dünenlandschaft bei Agios Georgios fanden wir einen tagsüber stark frequentierten, nachts jedoch völlig einsamen Platz, eine funktionierende Stranddusche (und in 1 Kilometer Entfernung ein ganzes Feriendorf in britischer Touristenhand).


Hier  gönnten wir uns einen Bade-, Jogging-, Radel-, Wasch- und Erholungstag, der mit einer gepflegten Partie Billard ausklang. Von diesem Strandabschnitt abgesehen, ist der südliche Teil der Insel erheblich ruhiger und touristisch unerschlossener als der nördliche; landschaftlich aber auch weniger spektakulär.
Wir nahmen die Fähre von Lefkimmi zurück nach Igoumenitsa, eine deutlich billigere, weil auch deutlich kürzere Variante zur Fähre von Korfu-Stadt.

Wieder auf dem Festland sorgten wir rasch für den dringend benötigten Radmantel-Nachschub, hatten mit der Gasbeschaffung weniger Glück und machten uns dann daran, die Westküste hinab zu fahren…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen