Mittwoch, 5. Oktober 2016

Von Größenwahn und Besinnung

Sonntagmorgens erlebten wir Skopje noch ein wenig verschlafen. Der Stadtverkehr rollte erst allmählich an und wir fanden komplikationslos einen zentral gelegenen Parkplatz. Ganz entspannt konnten wir ungestört geradewegs auf den riesigen Hauptplatz schlendern- nicht nur dessen horizontale Ausbreitung, sondern auch die vertikale- in Form von kleinfamilienhaushohen Statuen- allen voran Alexander der Große, neben dem nicht nur Svenja winzig klein wirkte.


Das neu gestaltete Zentrum soll wohl vor allem Touristen aus Russland und dem Nahen Osten anlocken, unseren Geschmack traf es nicht so recht. Morgens hatten wir den Eindruck mehr Statuen als Menschen zu Gesicht zu bekommen. 


Von diesem Platz aus spazierten wir über die wieder aufgebaute alte Steinbrücke und blickten dabei auf etliche übertrieben große Gebäude, unter anderem das des Archäologischen Museums, das wir später besuchten. Fotografieren war strengstens untersagt und um dieses Verbot zu kontrollieren, streifte eine Vielzahl an Polizistinnen umher. Nachdem wir den Stadtteil des Größenwahns hinter uns gelassen hatten, kamen wir in das alte, kleine Basarviertel, wo es uns schon viiiiiiel besser gefiel. 


Nachdem wir uns- den Greisen gleich- auf einer Bank mit Burek und Sesamkringeln gestärkt hatten, tauschten wir große Scheine in kleine und kauften ein wenig ein- hauptsächlich der Stimmung wegen; leider können wir Paprika nicht säckeweise im Schlumpf transportieren. Zum Abschluss besuchten wir noch das futuristisch anmutende Erinnerungshaus der jüngst heiliggesprochenen und in Skopje geborenen Schwester Theresa.


Wir machten uns, mit einem kurzen Abstecher zum Kloster Nerezi, auf in Richtung Südosten und nahmen die Landsträßchen durch das makedonische Nirgendwo, die parallel zur Autobahn verliefen. Meistens bekommen wir dadurch einen besseren Einblick in das Leben der ländlichen Bevölkerung und haben eine bessere Chance auf einen guten Schlafplatz. Der Zustand der Pisten verschlechterte sich jedoch zusehends und wir bogen in Sorge um den Schlumpf auf die Autobahn ab, die immerhin im Zustand einer mittelmäßigen deutschen Landstraße war. Wir übernachteten erneut an einer Tankstelle und erreichten kurz nach Einlassbeginn die alte römische Stadt Stobi. 



Dieses allerdings durch einen Nebeneingang für das Personal, sodass wir die komplette Ausgrabungsstätte überqueren mussten, um in den Besitz von Tickets zu kommen. Irgendwie schien das aber niemanden zu irritieren. Im Ticketpreis (ca. 85 Cent pro Student) war eine außergewöhnlich informative 40-minütige Führung inklusive, bei der wir nicht nur viel zu den antiken Steinen sondern auch zur makedonischen Lebensweise erzählt bekamen, aber auch ein wenig von unserer Reise erzählen mussten. Viele ausländische Touristen verirren sich nicht hierher, umso sehr freuen sich die Mitarbeiter ihr Wissen präsentieren zu können.
Nachdem wir noch im Souvenirshop eingekauft hatten, ging es weiter über Prilep zum Kloster Zrze. Es liegt am Rande eines Talkessels in erhabener Position und ist es seit kurzer Zeit über eine Asphaltstraße zu erreichen. Wir parkten auf dem Parkplatz unterhalb des Klosters, der für uns allein etwas zu groß wirkte und stiegen die letzten Meter zu Fuß hinauf.


Oben angekommen, empfing uns einer der 10 Mönche, die hier oben leben, zeigte uns die kleine mit Fresken ausgeschmückte Kirche, erklärte uns, dass die Madonnen- und die Jesusikone „falsch herum“ hingen, weil sie mehrfach von alleine in diese Position zurückgekehrt seien, dass die Mönche bis zum 14.Jh in den Felshöhlen unterhalb des heutigen Klosterkomplexes gelebt hätten und lud uns zum Verweilen auf den Sitzbänken im großen Garten ein.
Da in einem unserer Reiseführer stand, dass man mit den Mönchen Kaffee trinken könne, fragte Nathan nach einem Kaffee. Und tatsächlich schien dies gar keine so abwegige Frage zu sein, erklärte sich der Mönch doch sofort bereit welchen zuzubereiten und kam schon wenig später mit 2 Tassen und sogar einigen „Turkish Delight“ zurück. Diese gehörten nun mal dazu, wenn man in Makedonien Kaffe trinke, erklärte er. Er selbst hatte aber einen Besuch in Prilep vorzubereiten und trank deshalb nicht mit. Wir genossen die Ruhe, den Blick auf das Tal, den guten Kaffee und schauten den jungen Katzen beim Herumtollen zu. 


Diese Oase kam für uns zum rechten Zeitpunkt und wir beschlossen zu fragen, ob wir auf dem Parkplatz übernachten dürften.
Als wir die Tassen zurück brachten, empfing uns ein anderer Mönch, der sich als Tihon vorstellte und nicht weniger entspannt wirkte als unser erster Gastgeber. Der Kaffee sei ein Gastgeschenk und da wir ein kleines Andenken aus dem Souvenirshop kauften, legte er noch 2 selbstgebastelte Lesezeichen oben drauf. Er war sehr interessiert an unserer Reiseform, erklärte auf dem Parkplatz zu übernachten wäre überhaupt kein Problem und erzählte vom Klosterleben. 6 bis 10 Stunden am Tag sei Gottesdienst, die restliche Zeit würden Souvenirs gebastelt, der Garten gepflegt und Gäste herumgeführt. Es sei schwierig ausreichend Schlaf zu bekommen, aber das wäre nicht sonderlich schlimm, die Mönche lebten nun mal für Gott. Seit 8 Jahren lebe er inzwischen in diesem Kloster; auf Nathans wohl etwas indiskrete Frage nach seinem vorherigen Leben antwortete er etwas verlegen, er sei Tattookünstler gewesen. Viel habe sich aber nicht verändert, nun male er halt Ikonen.
Die Nacht war unglaublich ruhig, wir schliefen ausnahmsweise einmal bis 8 Uhr durch. Schon auf unserem Weg zum Kloster hatten wir am Rand der Straße weite Felder gesehen, auf denen Pflanzen standen, die wir zunächst nicht einzuordnen wussten. Erst später begriffen wir, dass es sich dabei um Tabak handelte. Das Leben der Tabakbauern ist, wie wir im Gespräch mit Tihon erfuhren, extrem hart. Von März bis November würde – nicht sonderlich Rücken schonend- geerntet werden.



Nach dem Transport in den heimischen Hof 


werden die Blätter per Hand aufgefädelt und zum Trocknen an die Häuserwände gehängt.


Dabei helfen wohl schon die Allerkleinsten mit. Die getrockneten Tabakblätter würden dann für ca. 2€ pro Kilo verkauft und von größeren Unternehmen weiterverarbeitet.

Wir steuerten nun den Mavrovo-Nationalpark an. Der vielgerühmte See entpuppte sich als mittelmäßig schöner Stausee mit Hotel- und Restaurantpromenade, vermutlich hauptsächlich für makedonische Touristen. Wir fuhren kurzerhand wieder ab, nun in Richtung Debar. Wir schauten uns die nahe der Hauptstraße liegende Kirche Sv. Jovan Bigorski mit ihrem unglaublich beeindruckenden Schnitzaltar an, in der gleich 3 Aufpasser sicherstellten, dass das Fotoverbot eingehalten wurde.
Abends erreichten wir noch den Ohridsee und fanden diesen Traumplatz, der für 3 Nächte unser Zuhause werden sollte.


Der See soll zu den ältesten, tiefsten und klarsten in Europa zählen. Klar ist er wirklich, fast wie das Meer der Adriaküste, den Rest können wir nicht beurteilen. So ruhig er bei Windstille daliegt, so sehr peitschen die Wellen bei Wind und man fühlt sich, am Sandstrand sitzend, vollends ans Meer versetzt.

Abermals erfolgte unsere Körperpflege in einem stehenden Gewässer, das scheint langsam zur Gewohnheit zu werden, aber es macht auch mehr Spaß als normal zu duschen.


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