Dienstag, 18. Oktober 2016

Große Nord-Albanien-Runde

Bevor wir euch von unseren Albanien-Erlebnissen berichten, wollen wir noch ein paar generelle Sätze zu einem Land verlieren, das uns unerwartet stark in seinen Bann gezogen hat.
Von 1941-1985 war Albanien eine Diktatur unter Enver Hoxha, die nach und nach alle Verbündeten verlor und am Ende restlos isoliert dastand. Aus Angst vor einer Invasion wurden im ganzen Land an strategisch wichtigen Orten pilzförmige Bunker, zumeist in 3er oder 4er Gruppierungen, gebaut. Sie galten als unzerstörbar und in Anbetracht der noch stehenden Anzahl muss da wohl irgendetwas dran gewesen sein, einige Tausend stehen noch.


Unter Hoxha war so einiges nicht erlaubt, z.B. der Besitz von Privatautos, die Ausreise, jegliche Religionsausübung (nur wenige Kirchen und Moscheen haben „überlebt“) oder ausländisches Radio zu hören. Nach seinem Tod bzw. nach dem Fall des Nachfolge-Regimes einige Jahre später änderte sich dies schlagartig und jeder brauchte plötzlich ein Auto. Der Bedarf wurde zum Großteil mit importierten –häufig im Ausland gestohlenen- Mercedes-Benz gedeckt. Die inzwischen in die Jahre gekommenen Autos stellen auch heute noch das Auto der Mittelklasse dar. Die Unterschicht fährt noch immer auf Pferdekarren durch die Gegend, während diejenigen, die es sich leisten können in neuen Mercedes-Benz’ umherfahren. Wer in Albanien Auto fährt, sollte emotional belastbar sein. Es wird zur Begrüßung gehupt und vor dem Überholen (wenn man den Überholten beim Überholen grüßt logischerweise zweimal), um Tiere von der Straße zu verscheuchen, wenn der Verkehr nicht voran geht oder einfach aus Lust und Laune. Es kommt einem vom Perlhuhn bis zum LKW alles entgegen, was sich in irgendeiner Weise fortbewegen kann, häufig völlig aus dem Nichts. Ebenso aus dem Nichts erscheinen Schlaglöcher auf bis dahin bester Straße, teilweise sogar auf der Autobahn. Da sind solche Strecken, die nur aus Schlaglöchern bestehen tatsächlich dankbarer. Viele Strecken im Land sind allerdings nur mit Geländewagen zu bewältigen.

Außerdem sei erwähnt, dass zwei historische Persönlichkeiten omnipräsent erscheinen. Zum einen der Nationalheld Skanderbeg, dessen Statue in jeder etwas größeren Stadt zu finden ist und zum anderen die, wie früher schon beschrieben, zwar in Skopje geborene, aber einer albanischen Familie entstammende Mutter Theresa, nach der so ziemlich jedes Krankenhaus benannt sein dürfte, das in Albanien steht, übrigens auch schon jenes im überwiegend von Albanern bewohnten Ulcinj, in welchem Nathans Bein geflickt wurde.

Wir waren also (vorerst nur physisch) in Albanien angekommen, fuhren zunächst zur Komplettierung den Ohridsee noch von der albanischen Seite ab und am nächsten Morgen ging es weiter nach Elbasan, wo wir einen der rar gesäten funktionstüchtigen EC-Automaten fanden und das Treiben auf dem großen Hauptplatz auf uns wirken ließen.




Danach fuhren wir, Nathan auf 2, Svenja auf 4 Rädern, über einen wunderschönen Pass von der drittgrößten Stadt des Landes in die größte –Tirana- bzw. bis kurz davor. Dort nämlich liegt die Skanderbeg-Festung Petrele, wohl hauptsächlich für Tagesausflüge Einheimischer fotogen aufbereitet, auf ihrem Felsvorsprung. 


Auf dem tagsüber sehr belebten Parkplatz zu ihren Füßen, der gleichzeitig auch als Hauptplatz des umliegenden Dorfes dient, schliefen wir trotz eines heftigen Gewitters, welches einen Stromausfall mit sich brachte (was unser Glück war, da die Laternen ausfielen), bald ein. Am nächsten Morgen begannen wir etwas zu früh unseren Kampf durch Tiranas Straßen, wo wir uns bald mitten im Arbeitsverkehrs-Chaos wiederfanden, da die neue Umgehungsstraße, die Tiranas Straßen endlich Entlastung verschaffen soll leider nur vor und hinter Tirana fertig gestellt wurde. Der wichtigste Teil fehlt allerdings, ja schlimmer noch: die bis zum Ortseingang exzellent ausgebaute Schnellstraße (90km/h sind erlaubt) endet ohne jegliche Vorwarnung oder Geschwindigkeitsanpassung hinter einer langgestreckten Kurve in einer Serpentine mit Schotterbelag! Nathan manövrierte den Schlumpf in gekonnter albanischer Fahrweise durch meist vier Fahrspuren anstatt der zwei eingezeichneten. Die Ampeln wurden durch Polizisten überstimmt, die wild wedelnd die Rot- und Grünphasen anzeigten, die sich danach richteten, wie viele Autos noch auf die andere Seite der Kreuzung passten. Das Chaos potenzierte sich allerdings in den zahlreichen Kreiseln. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren, wenn es überhaupt Regeln gibt. Zumeist sind die Kreisel 3 bis 4-spurig, eigentlich. Bei dem real existierenden Wirrwarr an hupenden, drängelnden und quer stehenden Fahrzeugen kann man aber mit Sicherheit nicht mehr von Fahrspuren reden. Sogar einen U-Turn haben wir mitverfolgen „dürfen“. Innen ging es halt nicht weiter, und wer will schon warten?  Nach schätzungsweise einer Stunde kamen wir ohne Delle wieder raus- aber es sollte nicht das letzte Mal auf Tiranas Straßen gewesen sein- schließlich haben montags alle Museen Tiranas geschlossen und die Hauptstadt-Besichtigung musste bis auf Weiteres verschoben werden. Zunächst fuhren wir jedoch peu a peu in ruhigere Gefilde. Zunächst erwartete uns Kruje, die Geburtsstadt des Nationalhelden Skanderbeg. 
Dem (noch?) gemütlichen Basarviertel merkt man allerdings leider schon an, dass auch in Albanien der Massentourismus seine Schatten voraus wirft.


Ganz anders geht es beim einheimischen Bäcker zu, der uns genau die Münzen zeigte, die wir zu bezahlen hatten- wir bekamen für 100 Leke (70 Cent) das bisher leckerste gekaufte Brot unserer Reise.
Ein wenig erhöht befinden sich die Reste der alten Festung, die natürlich, wie könnte es anders sein, Skanderbeg bauen ließ. 


In ihren Mauern finden heute zahlreiche Museen Platz, u.a. das Skanderbeg-Museum, das mehr einem Schrein denn einem Museum ähnelt. 


Außer Monumentalgemälden und –statuen des liebsten Sohnes der Stadt gibt es recht wenig zu sehen.
Bemerkenswerterweise stieg der Ruhepegel auf der 2009 freigegebenen ersten albanischen Autobahn, die von Kruje in Richtung Kosovo bzw. Nordosten des Landes führt. Warum ausgerechnet hier eine Autobahn gebaut wurde, verstehe wer will. Die „Metropole“ des Nordostens Kukes, mit knapp mehr als 10.000 Einwohnern, ist schon 140 km vorher ausgeschildert. Wir fuhren fast gänzlich allein durch die Ausläufer der albanischen Alpen, die in wilder Schönheit am Wegesrand aufragten und sahen weder größere Ortschaften noch Ausfahrten an uns vorbei ziehen. Und damit wenden wir uns einem leidigen Thema zu: Albaner können keine Ausfahrten! Diejenige, die wir hätten nehmen sollen (wir verpassten sie mit der Konsequenz eines 25 km langen Umwegs) war 350 Meter vorher das erste Mal ausgeschildert und so konzipiert, dass man von der linken Spur (für die es ein Stopp-Schild gab!) durch eine Lücke in der Mittelleitplanke hindurch über 2 Spuren des –wenn es welchen gegeben hätte- Gegenverkehrs hinweg auf einen hinter einer Tankstelle versteckten Schotterweg hätte fahren müssen.
Nachdem wir auf dem Rückweg die Abzweigung dann gefunden hatten, fanden wir uns in absoluter Einsamkeit wieder. 


Das erste Dorf folgte nach ungefähr 25 km und war kaum mehr als eine Ansammlung von Schafherden mit ihren Hirten und einer Tankstelle. Über 100 km sollten wir so auf enger Straße bergauf und bergab weiterfahren bis wir unser Ziel Fierza erreicht hatten. Auf diesen 100 km gab es genau eine Weggabelung, 4-5 Ortschaften und unglaublich viele Maronenbäume. Am ersten Tag sammelten wir eigentlich nur dann, wenn die Maronen auf der Straße lagen und konnten trotzdem am Abend den kompletten Tisch bedecken:


Wir stolperten über einen traumhaften Schlafplatz und wurden von fast jedem vorbeifahrenden Autofahrer mittels Hupe und Winken am neuen "Wohnort" willkommen geheißen!


Als wir am nächsten Morgen feststellten, dass es regnete, beschlossen wir uns für den bevorstehenden Winter mit Maronen einzudecken, von denen wir glaubten, man könne sie gut konservieren. Wir sammelten noch einmal etwa die gleiche Menge wie am Vortag zusammen und warteten gespannt auf die nächste Möglichkeit im Internet nach sinnvollen Wegen zu forschen, diese zuzubereiten.
Aber kommen wir zum eigentlichen Grund, der uns in diese abgeschiedene Gegend gelockt hatte.
Dabei handelt es sich um die Koman-Fähre, die wir versucht haben euch in Bild und Ton näher zu bringen:

Diese Fähre fährt genau einmal täglich und braucht für die 35km lange Strecke bis Koman knapp 2 ½ Stunden.
Hier noch ein paar Bilder:




Um auf einigermaßen passable Wege zurückzukommen, waren anschließend noch 2 weitere Stunden Holperpiste zu überstehen. Abends erreichten wir dann das Steinbrücken-Highlight Albaniens- die Mesibrücke:


Wir übernachteten nahe Shkodra und konnten morgens von der Festung herab ein drittes Mal auf den Skutarisee blicken- irgendwie scheint er magnetische Kräfte zu haben.


Ansonsten hat Shkodra nicht viel zu bieten, daher war der Weg frei in Richtung Süden und Hauptstadt.

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