Samstag, 13. August 2016

Transit durchs Bosniens Hinterland, Grenzhoppings und Ankunft in Serbien

Der Krka-Nationalpark stellt ein Paradebeispiel dar für alles weswegen wir aus den touristisch-verseuchten Gebieten Kroatiens „fliehen“ wollten. Kostet er in der Nebensaison gerade einmal 4€ Eintritt, so bezahlt man Im Juli/August umgerechnet 21€ pro Person; Studentenermäßigung Fehlanzeige. Das Ganze zahlt man für 7 Wasserfälle, die über mehr als 30km Flusslauf verteilt sind (der Transport kostet natürlich extra). Davon lohnen nur 3 überhaupt den Besuch und das eher im Frühling. Im Sommer sind sie relativ unspektakulär, teilweise sogar ausgetrocknet. Wir entschlossen uns vor der Öffnung des Parks (8 Uhr) einen Versuch zu wagen, in den Park zu spazieren. Das hätte zudem den Vorteil gehabt, den untersten Wasserfall für uns alleine zu haben. Um 6 Uhr passierten wir das vermeintlich leere Rezeptionshäuschen und kaum waren wir daran vorbei, hallte uns ein scharfes “Hallo, hallo“ hinterher, von dem wir uns nicht beeindrucken ließen. Leider führt eine asphaltierte Straße parallel das ca. 800m langen Wanderwegs, der in den Park führt und somit war es für den menschlichen Wachhund ein Leichtes uns per Auto den Weg abzuschneiden. Er drohte mit Polizei und wer weiß was noch, so gut ist unser kroatisch dann doch noch nicht. Ernüchtert kehrten wir um und versuchten am ohnehin auf unserer weiteren Strecke liegenden zweiten Wasserfall erneut unser Glück. Nach kurzer Suche fragte uns ein älterer dort lebender Mann, was wir suchten und sagte nachdem wir geantwortet hatten:
„Lohnt nicht, kein Wasser, fahrt weiter, weiter, lohnt nicht, kostet zu viel Geld, verrückt“.
Wir folgten seinem Rat und passierten kurz darauf die Klosterinsel Visovac.


Beim dritten und höchsten Wasserfall der Krka gab es zu unserem Erstaunen bei unserer Ankunft keine gesperrten Wege oder Kontrollen.


Wir freuten und, dass wohl die meisten Besucher nur die beiden bekannteren und näher zu den Haupteingängen liegenden Fälle besuchten, genossen die Ruhe der Natur und stellten bei unserer Rückkehr fest, dass inzwischen doch ein Kontrolleur erschienen war.
Wie auch immer, wir kehrten dem Massentourismus den Rücken.

Schon im kroatischen Hinterland erkennt man deutlich die Kriegsschäden aus den 90er Jahren. Wir durchfuhren Knin, eine der damals am heftigsten umkämpften Städte Kroatiens, deren Festung an jedem 5. August (Tag des Sieges und der heimatlichen Dankbarkeit) –in anderen Ländern heißt so etwas Nationalfeiertag- für einen Tag zum wichtigsten Ort Kroatiens mutiert. Hunderte Soldaten marschieren auf, der Präsident kommt vorbei, usw.
Dafür kamen wir 3 Tage zu spät.
Passiert man jedoch die Grenze zum erheblich ärmeren Bosnien-Herzegowina wird der Kulturschock perfekt.
Wir haben wirklich lange überlegt, wie wir euch dieses Land beschreiben sollen.
Zunächst einmal ist es ein bitter armes Land, das Durchschnittseinkommen liegt offiziell bei gerade einmal 400 US$.
Wirklich auffällig sind jedoch die Kontraste, die Bosnien-Herzegowina bietet.
Wie in keinem anderen aus dem ehemaligen Jugoslawien hervorgegangen Staat, mischen sich hier Ethnien und Religionen.
Der Staat besteht aus 2 weitgehend autonomen Entitäten: der überwiegend von Serben bevölkerten Republik Srpska, die in regelmäßigen Abständen ihre Unabhängigkeit fordert und der von Kroaten und Muslimen dominierten Föderation Bosnien und Herzegowina. In beiden Teilen existieren ein eigenes Parlament und ein eigenes Postsystem. Immerhin auf eine gemeinsame Währung konnte man sich 1998 einigen: die neutrale Deutsche Mark. Nun gibt es die aber seit der Euro-Einführung nicht mehr, aber im Gegensatz zu Deutschland war man hier nicht bereit die Mark aufzugeben. Heute gibt es die Konvertible Mark zu 100 Feninga (natürlich hat jede Entität ihre eigenen Scheine), Umrechnungskurs zum Euro stabil bei 1,95583.
Also, wer sich die gute alte Mark zurückwünscht, einfach nach Bosnien-Herzegowina fahren.

Durch das direkte Zusammenleben von Christentum und Islam stehen zumindest in der Föderation Minarette direkt neben Kirchen, wetteifern Muezzins mit Kirchenglocken, sitzen Burka tragende Frauen neben Frauen im Minirock und Top.
Die Kriegsschäden sind allgegenwärtig. Abgedeckte Ruinen stehen Seite an Seite mit neuen frisch gestrichenen Villen, jeder Ort hat seinen eigenen Kriegsopfer-Friedhof,  Einschusslöcher in Häuserwänden sind keine Seltenheit, Minenschilder warnen in nahezu jedem abgelegenen Gebiet vor dem Betreten der Gegend. Es sollen noch 1-4 Mio. auf bosnischem Boden liegen, das ist trauriger europäischer Rekord.
Die Hauptverkehrsachsen sind in tadellosem Zustand, wir waren verblüfft. Fährt man jedoch von ihnen ab, so bekommt man es mit solchen Straßen zu tun (als normale Landstraße ausgezeichnet).


Auf den Hauptstraßen werden nicht selten Pferdekutschen von glänzenden BMWs mit ausländischen Kennzeichen überholt. Wir vermuten, dass letztere vornehmlich von ausgewanderten Bosniaken auf Heimaturlaub gefahren werden.
Der Tourismus beschränkt sich ansonsten jedoch auf einige wenige Städte.

Hier ein paar typische Impressionen:














Unser erstes Ziel in Bosnien-Herzegowina war Jajce, eine Stadt die unmittelbar oberhalb eines Wasserfalls liegt und auch sonst recht nett anzuschauen ist:


Ganz in der Nähe fanden wir noch diese Wassermühlen-Idylle:


Nach einem abendlichen Slivovic-Umtrunk mit unserem Campingplatzbesitzer und dessen Freund ging es morgens weiter in Richtung Travnik, dem Geburtsort des bekanntesten südslawischen Schriftstellers, Ivo Andric, der 1961 den Literaturnobelpreis erhielt.
Sein Geburtshaus ist zu besichtigen, ebenso wie eine nette kleine Altstadt mit Festung.



Auch hier: zerfallenes Haus inmitten des größten Touri-Kitschs
Auf unserem Weg durch Bosnien-Herzegowina steuerten wir 5 Festungsanlagen an, die etwas abseits des Weges lagen. Die photogenste war Vranduk:


Wir verließen das Land in Richtung Kroatien und statteten Osijek einen Besuch ab.


Dort übernachteten wir dann auch und entschlossen uns spontan am nächsten Tag einen Abstecher nach Pecs in Ungarn einzulegen.
Wir hatten das unglaubliche Glück derselben Grenzkontrolleurin auf Hin- und Rückweg zu begegnen. Eine Tatsache, die man schon von weitem erkannte. Lief es auf der LKW-Spur und auf der Gegenseite wie am Schnürchen, so staute es sich auf unserer Spur über hunderte Meter. Etwas seltsam für eine Grenze zwischen zwei EU-Staaten. Dazu passt dieses Foto, aufgenommen kurz hinter der Grenze, also in Ungarn:


Pecs selber lohnte den Besuch auf jeden Fall, nicht umsonst wird die Stadt regelmäßig unter die lebenswertesten Städte Europas gewählt.



Zurück in Kroatien ging es noch durch Vukovar. Das größte touristische Highlight dieser Stadt ist -wenngleich schon etwas früher gebaut- in den 90er Jahren "entstanden":

Diesen Wasserturm gibt's nebenan auch als Souvenir...
Die abendliche Grenzüberquerung nach Serbien verlief deutlich entspannter als erwartet und wir hatten schon bald die ersten Stempel im Pass.
Wir fuhren noch in die Nähe von Novi Sad auf einen Campingplatz. Novi Sad haben wir dann gestern besichtigt, besonders viel hat die zweitgrößte Stadt Serbiens außer einer Festung aber nicht zu bieten:


Aber wir sind hier ja auch her gefahren, um die Natur und die Klöster der Fruska Gora zu bewundern.
Die Fruska Gora gilt den orthodoxen Christen als einer der drei heiligen Berge; auf relativ kleiner Fläche haben sich in dieser Region 16 orthodoxe Klöster erhalten.
Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Reisebusse mit pilgerfreudigen, meist in ihre besten Anziehsachen gehüllten, vornehmlich alten Menschen vorfahren. Interessanterweise fahren die Priester gleich mit und geben sich auch sonst sehr nahbar:


Den ersten Halt machten wir am Kloster Novo Hopovo:


Wir verweilten eine ganze Weile und ließen die neu entdeckte Welt auf uns wirken, während im Schlumpf die Nudeln köchelten und Nathan ein paar Brombeeren als Dessert plückte.

Augen auf beim Brombeeren-Pflücken!
Im 10-Minutentakt brummte ein alter, in der EU ausgemisteter Omnibus heran, eine ganze Ladung Pilger/innen steigt aus und strömt in Richtung Kloster.


Bis dahin noch ganz normal. Aber dann passiert plötzlich eine "Verwandlung"- die Gläubigen scheinen wie in Trance zu fallen. Beim Ein- und Austreten wird das Halstuch in einen Kopfüberwurf verwandelt, küssen die Eintretenden den Türrahmen der Kirche und sogleich wird das Portemonnaie gezückt, um die Opferkörbchen zu füllen. Die Ikonen werden im Sekundentakt geküsst, die Gläubigen verbeugen und kreuzigen sich nahezu ununterbrochen, kaufen Bienenwachskerzen, mit denen sie die Kerzenständer bestücken und Souvenirs für die Daheimgebliebenen. Auch die Kinder auf den Armen werden den Heiligenbildern vorgetragen. Untereinander behandeln sich die Menschen in einer warmherzigen Art und Weise. Es wird sich umarmt, bei der Hand genommen, sich gegenseitig geholfen, zusammen mit dem Priester Selfies geschossen oder wie oben schon zu sehen eine geraucht...


Und dann, nach einer vorher scheinbar nicht festgelegten Zeit ist der Busfahrer glücklich, wenn sein Gefährt wieder anspringt und sich auf den Weg zum nächsten heiligen Ort macht.
Auch wir fuhren danach noch zu zwei weiteren Klöstern - einem in Vrdnik und zum krönenden Abschluss zu "dem" Kloster des heiligen Fruska Gora- Krusedol.


Dort wohnten wir einem Gottesdienst bei, der nicht nur für uns, sondern auch für die Orthodoxen zu lange dauerte, um ihn komplett zu verfolgen. Bilder dürfen in der Kirche leider keine gemacht werden- es wäre bei Dunkelheit gepaart mit dem Rauch der Schwenker auch sehr schwierig geworden. Wir haben als Erinnerung ein kleines Büchle gekauft.
Nach einer weiteren Nacht auf dem Campingplatz, sind wir nun wieder startklar und machen uns jetzt auf den Weg in die Hauptstadt Belgrad.
Bis bald!

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