Samstag, 28. Januar 2017

Endspurt durch Griechenland

Nachdem wir den vorübergehenden Luxus einer Wohnung genossen hatten, fiel es uns zunächst schwer wieder in den Reisetrott zurückzukehren, weil der Winter nun auch in Griechenland Einzug gehalten hatte. Die Vielzahl an bedeutenden Sehenswürdigkeiten weckte uns jedoch schnell aus dem kurzzeitigen Winterschlummern. In Orchomenos, einem kleinen, aber historisch sehr interessanten Ort nordwestlich von Athen, wurden wir vom „Jingle Bells“ der Kirche Maria Himmelfahrt begrüßt. Beim Bau der Kirche wurden einige hübsche antike Steine in das Gemäuer mit eingearbeitet, weshalb wir ihr den Namen „Patchworkkirche“ gaben. 


Am nächsten Morgen erkundeten wir das große mykenische Kuppelgrab des Königs Minyas, das wie einige weitere seiner Art von Heinrich Schliemann ausgegraben wurde. 


Nachdem wir noch einen kurzen Blick auf das kleine Chariten-Theater geworfen hatten, machten wir uns auf den Weg zu den „ganz großen Highlights“. En passant stießen wir auf diesen, in Heronia thronenden, zwischenzeitlich im Sumpfboden eingesunkenen, über 2000 Jahre alten Löwen

daneben sieht selbst Nathan klein aus :)
sowie das verschneite Bergkloster Moni Jerusalim und kamen wenig später im, schon zuvor erwähnten, Kloster Ossios Lukas an. 


Die stimmige Komposition von golden glänzenden Mosaiken, Bordüren, Marmorsäulen und blumenförmigen Fenstern, die gleichsam verzierte Krypta und die Lage inmitten von Olivenhainen gefielen uns außerordentlich gut. 


Das Mosaik des Christus Pantokrator im Eingangsportal und die „Fußwaschung“ stachen dabei besonders heraus.  


Danach fuhren wir in Richtung Westen, durchquerten den Skiort Arahova am Fuße des Parnassos-Gebirge, der wegen des Sonnenschein-Wetters stark von Alpinisten frequentiert wurde und von dort weiter nach Delphi, wo uns eine geballte Ladung hochklassiger Funde, Bauwerke und Touristen erwarteten.


Das berühmte Orakel meldete sich nicht zu Wort, aber unsere innere Stimme sagte uns schon bald: Dieser Ort hat was! Wir erklommen den berühmt „berüchtigten“ steilen Hügel und blieben, nicht nur um Luft zu holen, sondern auch staunend über Blick und Lage, immer wieder stehen. 


Von unten nach oben steigend, wurden wir durch einen Säulengang zum Duplikat des „Nabels der Welt“ (Omphalos) geleitet. Das Original bekamen wir später im Museum zu sehen:


Nur wenige Schritte weiter fanden wir das Schatzhaus der Athener, den Apollon-Tempel


und das antike Theater:


Ganz oben erhebt sich das Stadion, in dem wir gut aufgewärmt für den 180-Meterlauf ankamen. Zäune und Aufpasser verhinderten einen neuen Weltrekord.


Was auf dem Gelände sonst noch so gefunden wurde, konnten wir, wie schon erwähnt, im Museum begutachten. Dort stehen keine Geringeren als der Wagenlenker 


und die Sphinx der Naxier 


inmitten zahlreicher Opfergaben und Kultgegenstände. 

Da wir von nun an über jeden Meter froh waren, den wir der Heimat näher kamen, fuhren wir noch ein wenig in Richtung Norden, bis wir müde ein Bett im Olivenfeld fanden. Den folgenden langweiligen Transfertag heiterten griechische Polizisten, die einfach nur kurz sicherstellen wollten, dass bei uns auch alles okay war, der -leider in Nebelschleier gehüllte und schneebedeckte- Olymp und die im Winter rötlich schimmernden Bäume der Pistazien-Plantagen auf. Weil die Navigation mit Kompass und Karte uns leider keine Auskunft über den Straßenzustand gab, führte unser Weg über schmalste und abgelegene Sträßchen. In Thermopylen stießen wir wieder auf Infrastruktur und Menschen, die dort inmitten der Natur, wie es der Ortsname schon verrät, ein warmes (Schwefel-) Bad genossen. 


Der vom warmen Fluss aufsteigende Dampf und die historische Bedeutung dieses Ortes ließen eine mystische Stimmung aufkommen. Wenige Meter neben dem Fluss fanden wir dieses Denkmal, das an den Kampf der 300 Spartaner unter Leonidas gegen die Perser (unter Xerxes) erinnerte. 


Zu jener Zeit befand sich dort zwischen Berg und Meer nur ein schmaler Streifen Land. Diese Naturbesonderheit nutzte Leonidas, um die Perser in die Enge zu treiben und damit deren zahlenmäßige Überlegenheit zu neutralisieren. Den dazu passenden Film „300“ hatten wir uns als Vorbereitung angeschaut, es war einer der zwei Filme, die wir auf der Reise schauen konnten- mehr war aufgrund chronischen Strommangels nicht drin.
Unser mittlerweile erfahrenes Bauchgefühl sagte uns, dass die Ebene von Thermopylen kein guter Schlafplatz war. Deshalb fuhren wir noch ein paar Kilometer weiter und parkten in Vergina auf dem für den kommenden Besichtigungstag vorgesehenen Parkplatz. Nachts wurden wir ungewollt Opfer und Zeugen des Kräfte- und Mutmessens dreier junger Kerle, die es anscheinend lustig fanden, den Schlumpf zum Wackeln zu bringen.
Bei Sonnenaufgang waren wir die ersten, die das äußerst professionell aufgebaute Museum um die Grabhöhle Philipps II., des Vaters Alexander des Großen, besuchten. In diesem makedonischen, nicht von Grabräubern geplünderten, Tumulusgrab fand man neben den in ein Goldtuch gewickelten Gebeinen unter anderem kostbare Ölkrüge, einen Brustpanzer mit Helm, Schild und Schwert, ein Diadem, eine Krone und wertvollen Goldschmuck.


Die Eingangstore der insgesamt drei Gräber wurden freigelegt und sind vom Museum aus einsehbar.

Hinter diesem Tor ruhte Philipp II

Die Fundstücke werden in Glasvitrinen im sonst dunklen Raum angestrahlt. Als wir uns zum Ausgang bewegten, kamen uns größere Touristengruppen entgegen- die Gegend scheint auch im Winter gut besucht zu sein. Beeindruckt und zunächst noch vom Tageslicht geblendet, kehrten wir zum Auto zurück. Dabei lief uns draußen eine Gruppe junger Männer in einheimischer Tracht über den Weg. Den Anlass konnten wir nicht genau eruieren, vermutlich war es eine verspätete Neujahrsprozession. 


Nach einem kurzen Stopp bei einer Bäckerei, die uns mit leckeren Frühstücksteilchen beglückte, passierten wir einige weitere Schilder, die auf makedonische Gräber hinwiesen, bis wir wenig später in Pella ankamen. Die Geburtsstadt Alexander des Großen erstreckte sich einst kilometerweit in alle Richtungen und wurde als Küstenstadt gegründet. Wie auch in Thermopylen haben Anschwemmungen hier das Festland ausgedehnt, sodass Pella heute 30 Kilometer im Landesinneren platziert ist. Noch heute ist das Ausgrabungsgelände groß, von den Reichtümern ist jedoch nicht mehr viel zu sehen. 


Die wertvollen und Pella auszeichnenden Kiesel-Mosaikfußböden wurden größtenteils abgetragen und ins angeschlossene Museum gebracht, zum Beispiel die „Löwenjagd“ 


und „Dionysos auf einem Panther“. Das Museum beheimatet aber nicht nur Mosaike, sondern auch etliche Funde aus makedonischen Gräbern, Statuen, Münzen und vieles mehr. Da unser Besichtigungsprogramm für den nächsten Tag groß war und wir deshalb früh starten wollten, suchten wir vor Ort in Thessaloniki einen Übernachtungsplatz und fanden eine mehr durch Sicherheit als durch Schönheit punktende Stellfläche neben einer Straße. Die Parkplatzsuche in der Innenstadt gestaltete sich ungemein schwieriger. Zum Glück lenkte Nathan das Auto nach einer Weile vergeblicher Suche intuitiv in eine Seitenstraße, in der wir den wahrscheinlich einzigen Parkplatz im Umkreis von 5 km ergatterten und so von dort aus unsere Tour starten konnten. Wir kamen am reich verzierten Galerius- Bogen vorbei, der nicht weit von der Rotonda (im Hintergrund zu sehen) steht.


Danach galt es den Stadtberg zu erklimmen, um von oben die Stadt überblicken und erkunden zu können. Trotz Kälte kamen wir nass geschwitzt, aber mit schönen Eindrücken aus dem ottomanischen Wohnviertel am Kastro an. Leider lagen Stadt und das Meer im Nebelbad und wir konnten nur erahnen, wie schön der Ausblick von dort sonst sein muss. Da die „Stadt der Kirchen“ einige zur Auswahl hat, war es weniger schlimm, dass zur Zeit unserer Besichtigung sowohl in der Agios Nikolaos als auch im Vlatadon- Kloster Gottesdienste gefeiert wurden. Weil wir mittlerweile wissen, wie lange die orthodoxe Liturgie dauern kann, versuchten wir bei der nächsten und ältesten Kirche Thessalonikis -Ossios David- unser Glück und wir fanden es. Die Kirche, die schon im 4. Jh. n. Chr. von einer Baummeisterin (!) erbaut wurde, liegt versteckt inmitten eines Wohnviertels, sodass wir nur wenige Meter von ihr entfernt noch einmal nach dem Weg fragen mussten. Ein sehr freundlicher und sich selbst später als eine Art Messner beschreibender junger Mann in Jogginghose begrüßte uns herzlich und erklärte uns in aller Ausführlichkeit sämtliche Einzelheiten der Kirche, während er unsichtbaren Staub von den Ikonen wedelte. Ein Mosaik mit der Darstellung des jugendlichen Jesus (ohne Bart, aber nicht mehr kindlich) soll es weltweit in nur drei Kirchen geben- eins davon in dieser Kirche. Leider durften wir kein Foto machen, nach solch ausführlicher Erklärung werden wir das Kunstwerk jedoch nicht vergessen. Nachdem wir uns durch ein Straßenmarkt-Getümmel und das typisch griechische Straßenchaos zur großen Kirche Agios Dimitrios gezwängt hatten, 


waren wir auch schon fast an der römischen Agora angekommen, deren überdachte Säulenhalle besonders gut erhalten blieb. Direkt daneben fanden wir die Chalkeon-Kirche, in der drei Messdiener gerade frische Palmwedel am Altar befestigten. Den krönenden Abschluss des Kirchen-Hoppings machte die Agia Sophia Kirche. Im Anschluss genossen wir die Stimmung auf dem meerseitigen Aristoteles-Platz und rund um den Weißen Turm, der in Wirklichkeit gar nicht richtig weiß ist. 


Auf dem Heimweg, schon ein wenig erschöpft, schauten wir uns noch das Archäologische Museum Thessalonikis an, bevor wir die Stadt in Richtung Chalkidiki verließen. 

Es war einmal ein Babyhund, den wir Athos tauften...


Am frühen Abend kamen wir in Ouranopolis, dem äußersten, für Frauen noch erlaubten Ort des östlichsten Fingers der Halbinsel an, wo wir am nächsten Tag für Nathans Vorhaben alles vorbereiteten. Wir fanden einen ruhigen, abgelegen Stellplatz neben einer Kapelle, wo wir das Gefühl hatten, niemanden zu stören. Bei Einbruch der Dunkelheit hielt einer der ab und an passierenden Pick-Up-Fahrern unweit von unserem Auto neben der Kapelle an. Wir vermuteten zunächst, dass er eventuell in der Kirche etwas zu tun hatte, oder er uns auf das Camping-Verbot, dass im gesamten Land und noch einmal gesondert auf der Halbinsel herrscht, hinweisen wollte. Dass wir Zeugen eines in Griechenland viel zu selten oder gar nicht geahndeten Deliktes im Rahmen des Tierschutzgesetzes wurden, begriffen wir erst, als wir neben dem lauten Motorengeräusch des wegbrausenden Autos ein leises, trauriges Fiepen hörten. Das Herrchen hatte mitten im ltesten griechischen Winter seit langem sein Hundewelpen mitten in der Natur ausgesetzt! Der kleine Athos hatte in dieser Umgebung und dem momentanen Klima keine Überlebenschance. Der Schlumpf bot ihm Unterschlupf, wir fütterten ihn mit Butterkeksen und gaben ihm immer wieder erneut Wasser zu trinken, da es nur nach wenigen Minuten immer wieder eingefroren war. 



Herzzereißend fiepte er nachts immer wieder aufs Neue, lief unter dem Schlumpf entlang, tapste gegen den ihn wärmenden Unterboden und die Reifen des Autos und gab seine Suche nach Mutter und Zuhause wenig später wieder auf. Am nächsten Morgen bauten wir ihm aus Reisig, Tannenzapfen und alten Handtüchern am Fuße eines breiten Baumes einen kleinen Zufluchtsort und versorgten ihn mit Fressen für die paar Stunden, die er alleine war, bis Svenja wieder zu ihm zurück kommen sollte. Wir beschlossen, dass sie sich in den vier Tagen, die Nathan auf Athos sein würde, um ihn kümmern und im Ort nach dem roten Pick-Up des Besitzers Auschau sollte. Da es in Griechenland zwar im Bezug auf Tierhaltung eine Legislative, aber keine Exekutive zu geben scheint, ergaben sich für uns nur zwei sinnvolle Möglichkeiten, um Athos´ Leben zu retten
1. Wir übernehmen die Exekutive selbst (keine Behörde würde sich für einen Hund in Griechenland dazu bequemen) und bringen ihn zum Besitzer zurück (das einzige, was wir über diesen wussten, war das Modell seines Autos). Selbst wenn das trotz aller Verständigungsprobleme geklappt hätte und wir den Besitzer ausfindig hätten machen können, konnten wir uns dennoch nicht sicher sein, ob dessen definitiv schlechtes Gewissen Athos vor Schlimmerem bewahrt hätte.
Also blieb uns eigentlich nur die
2. Möglichkeit: Svenja versorgt ihn vier Tage, wir gehen dann mit ihm zum Tierarzt, lassen ihn untersuchen, lassen ihn impfen, lassen uns die notwendigen Papiere für die Grenzen geben, fahren auf schnellstem Wege mit ihm nach Deutschland und sind dann ungewollt Herrchen und Frauchen Weiß.
Auf diesem Stand trennten sich unsere Wege für vier Tage, so war es zumindest geplant.

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